EU: NIEMAND WILL AUF SEINE STEUERHOHEIT VERZICHTEN : Ungleiches Recht für alle
Soeben gab es wieder Gelegenheit, die EU-Außenminister bei einer kleinen Willkommensparty zu beobachten – diesmal für Bulgarien und Rumänien. Die langen Gesichter heben sich alle für später auf, wenn die Rechnung präsentiert wird. Das wird dieses Mal nicht anders sein als bei den zehn Ländern, die seit einem Jahr zur EU gehören.
So nutzen manche die Gunst die Stunde. Nach Bundeskanzler Schröder und Finanzminister Eichel hat nun auch die DGB-Vizechefin Engelen-Kefer die Neiddebatte Richtung Osten für sich entdeckt. Für sich betrachtet stimmen die Fakten: Die EU fördert Kommunikationsnetze und andere Infrastruktur in Osteuropa, und Nettozahler Deutschland finanziert sie mit. Das nutzt auch den Firmen, die ihren Standort wegen der niedrigeren Steuersätze aus Westeuropa weg verlagert haben, darunter auch Niederlassungen aus Deutschland. Befremdlich ist nur, dass die Erkenntnis, die Vollendung Europas nach Osten hin könnte etwas kosten, die Politiker und Verbandsvertreter so schockartig überfällt. Die Tatsache, dass diesseits und jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs ein enormes Wohlstandsgefälle besteht, war schließlich keine geheime Verschlusssache. Wenn Vollmitgliedschaft nicht zum Etikettenschwindel werden soll, müssen sich Übergangsfristen und Schutzmechanismen auf einen kurzen Zeitraum beschränken.
Ganz anders sieht es beim Steuergefälle aus. Zu Wettbewerbsverzerrungen kommt es, wenn einem gemeinsamen Markt für Waren und Dienstleistungen ungleiche Steuerlasten für Unternehmen gegenüberstehen. Doch jeder Versuch, in der EU einheitliche Mindeststeuersätze für Unternehmen oder den Energieverbrauch einzuführen, ist bislang gescheitert. Auch die Deutschen wollen keine Abstriche an ihrer Steuerhoheit hinnehmen.
Die Neulinge werden nicht davon zu überzeugen sein, diesen Standortvorteil freiwillig aus der Hand zu geben. Hätte die EU sich vor der großen Beitrittsrunde zu Mindeststeuersätzen durchgerungen, wäre das Problem nie entstanden. Die Neuen hätten mit dem Beitrittsvertrag automatisch auch diesen Teil des gemeinschaftlichen Regelwerks akzeptiert. DANIELA WEINGÄRTNER