Sgrena-Beschuss: US-Soldaten unschuldig

Das Auto der italienischen Journalistin wurde nach ihrer Freilassung im Irak beschossen. Dabei starb ein Geheimdienstler. Eine Untersuchungskommission hat jetzt ihren Bericht vorgelegt. Berlusconi wollte eine Veröffentlichung in dieser Form verhindern

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Selber schuld. Zu diesem knappen Verdikt ist nach Auskünften eines US-Armeesprechers die Untersuchungskommission gekommen, die die Umstände der Tötung des italienischen Geheimdienstlers Nicola Calipari aufklären sollte. Calipari war am 4. März auf dem Weg zum Flughafen Bagdad von einer US-Streife erschossen worden; die neben ihm sitzende Journalistin Giuliana Sgrena, die er gerade nach einmonatiger Geiselhaft freigekauft hatte, wurde an Schulter und Lunge verletzt, und auch der zweite italienische Geheimdienstmann im Wagen erlitt leichte Verletzungen.

Unmittelbar nach dem Vorfall verlangte Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi von den USA „rückhaltlose Aufklärung“ und zeigte sich dann sichtlich befriedigt, dass Präsident George W. Bush eine gemeinsame amerikanisch-italienische Untersuchung anordnete. Am Montag Abend nun gab ein namentlich nicht genannter Sprecher der U.S. Army das Ergebnis bekannt. Die Kommission unter General Peter Vangjel habe festgestellt, dass erstens Calipari seinen Einsatz zur Befreiung Giuliana Sgrenas in Bagdad nicht mit den US-Streitkräften koordiniert habe – die hätten auch von der Fahrt Caliparis zum Flughafen nichts gewusst. Zweitens habe das italienische Team sich im Moment der Begegnung mit der US-Streife falsch verhalten, während die US-Soldaten korrekt „nach Einsatzbefehl“ gehandelt hätten. Der Toyota der Italiener sei mit 80 Stundenkilometer auf die Soldaten zugerauscht. Die hätten dann – als der Wagen 120 Meter entfernt war – erst im Dunkeln Lichtsignale gegeben und mit den Armen gerudert; anschließend – der Toyota war da noch 80 Meter weg – habe es eine Warnsalve gegeben. Dann erst, bei 60 Meter Abstand, habe man leider draufhalten müssen.

An dieser Darstellung fällt sofort auf, dass – wenn sie denn stimmte – alles in einem Augenblick passiert ist: Ein Auto, das 80 km/h fährt, legt die 40 Meter zwischen Lichtsignal und Warnschuss in 1,8 Sekunden und die folgenden 20 Meter bis zum direkten Beschuss in nicht einmal einer Sekunde zurück. Zudem widerspricht die Version der Untersuchungskommission den Aussagen der beiden italienischen Zeugen. Giuliana Sgrena und der italienische Agent erklärten, ihr Wagen sei mit höchstens 40 bis 50 km/h gefahren. Um 20.50 Uhr Ortszeit war es auf der Straße stockduster, es regnete, und das Auto musste durch eine Kurve, hinter der plötzlich die US-Streife auftauchte. Zudem sagen beide aus, dass sofort bei Aufleuchten des Scheinwerfers geschossen wurde.

Deshalb werden die beiden gerade nach Rom zurückgekehrten italienischen Mitglieder der Untersuchungskommission – ein General und ein Diplomat – den Bericht kaum abzeichnen. Eine offizielle Reaktion der Regierung gibt es bisher nicht. Bekannt ist nur, dass Berlusconi und sein Staatssekretär Gianni Letta in Treffen mit dem US-Botschafter versuchen, die definitive Veröffentlichung des Berichts in der jetzt bekannt gegebenen Form zu verhindern.