: Dem Albtraum entgegen
SCHMERZ Nach dreijähriger Pause präsentiert die Musikerin Soap&Skin ihr neues Album „Narrow“ in der Volksbühne. Zwischen dickem Nebel und blitzenden Scheinwerfern zeigt sie sich unversöhnt
Als die österreichische Künstlerin Anja Plaschg, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Soap&Skin, 2009 ihr Debütalbum „Lovetune for Vacuum“ veröffentlichte, wurde in den Medien schnell am mythenumwobenen Bild einer jungen „Ausnahmekünstlerin“ gebastelt. Ihr Hang zu düsteren Klangteppichen, in denen sich ihre außergewöhnliche musikalische Begabung zum Klavierspiel und Gesang zeigte, trug dazu genauso bei wie die scheuen, öffentlichen Auftritte, die nicht selten in ihrem vorzeitigen Abbruch endeten. Dazu passte auch die graue Covergestaltung ihres Albums, auf dem sich der abwesende Blick der blassen Künstlerin ins Leere richtet.
Am Sonntag präsentierte Soap&Skin nun im Roten Salon der Volksbühne ihr zweites Album „Narrow“, das im Vorfeld schon die Vermutung zuließ, Anja Plaschg sei inzwischen mit ihrer medialen Inszenierung ins Reine gekommen. Auf dem Cover blickt die Künstlerin, deren Blick aus sonst schwarz geschminkten Augen oft verstörend wirkte, hell, freundlich und direkt in die Kamera.
Gleich zu Beginn des heutigen Konzertabends wird einem jedoch bewusst, dass das nur eine subtile Geste gewesen sein kann. Ihr Auftritt auf der nebeligen Bühne beginnt mit harten Industrial-Beats, die durch die Halle preschen und mit immer wieder kurz aufblitzenden Scheinwerfern den Eintritt der Sängerin begleiten. Als sich diese für ihren ersten Song „Deathmental“ in langem Mantel vorne auf der Bühne positioniert, wird ihr Gesicht von unten angestrahlt, der Rest ist schwarz. „Life lays in your heart like a coffin, stop faking suffering like a child.“ Plaschgs Stimme drängt so laut durch die Publikumsreihen, dass es den Körper durchfährt, die elektronische Begleitung erfüllt den Saal mit einzelnen Schlägen, die jedes bequeme Zurücklehnen verhindern.
Die Künstlerin, die zusammen mit einer zweiten Sängerin, Cello-, Geigen- und Trompetenbegleitung auftritt, vermischt in den kommenden 75 Minuten Songs aus „Narrow“ mit älteren Liedern, die man manchmal erst nach einigen Minuten erkennt. Oft mündet der raumgreifende Gesang Plaschgs in verzerrt-elektronischem Kreischen, und sie selbst wird zum Körper, der sich im zuckenden Wahn zur Musik bewegt. Hinter ihr blinkt eine grelle Neonleuchte direkt ins Publikum und verhindert die Sicht.
Im ansonsten blassroten Licht, das mehr den Nebel als die Künstler bescheint, vertont Soap&Skin ihre Alpträume und fordert die Zuschauer zum Mitempfinden ihres Schmerzes heraus. Gebrochen werden diese Klangszenarien immer wieder von fragilen Klaviermelodien wie der ihres neuen Stückes „Vater“, wenn die ganze Halle plötzlich Stille ist, in die Plaschg das Andenken ihres verstorbenen Vaters singt.
Mit ihrer Musik verkörpert Soap&Skin etwas, das über die Schönheit der Komposition hinausgeht: Sie ist unversöhnlich und überwältigend. Das ist eine Stimmung, die die Anteilnahme eines Publikums abverlangt, das sich auch nach Ende des Konzertes nur schwer davon losreißen kann. Nach einer ersten Zugabe ebbt der Applaus nicht ab, Plaschg kommt erneut sich verbeugend auf die Bühne und sieht zu, wie die gesamte Halle in stehendem Beifall ein weiteres Stück fordert.
So setzt sich die Musikerin letztendlich ein weiteres Mal auf den Hocker, um mit ironischem Unterton anzustimmen: „This is the end, my only friend, the end.“ LISA FORSTER