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Archiv-Artikel

Modellhaft ohne Diesel

ENERGIEWENDE VOR ORT Weg von der Diesel-Dominanz: „Hal Över“ plant die Elektrifizierung der Sielwall-Fähre, um Ruß und Kohlendioxid zu vermeiden. Weitere Schiffe sollen folgen

Die Idee: Der Fluss liefert die Energie, die man zu seiner Überwindung braucht

VON HENNING BLEYL

„Hal Över“ will die Sielwall-Fähre elektrifizieren. Derzeit wird das Schiff durch einen 100 Kilowatt-Dieselmotor vorangebracht. Perspektivisch denkt „Hal Över“-Geschäftsführer Dieter Stratmann daran, auch weitere Schiffe seiner gegenwärtig elf Fahrzeuge umfassenden Flotte mit Strom fahren zu lassen.

Dass die Weser mitten durch die innerstädtische Umweltzone fließt, ist nicht der Auslöser dieses Vorhabens – für den Binnenschiff-Verkehr auf der Bundeswasserstraße Weser gelten ohnehin Ausnahmeregelungen. Statt administrativer Vorgaben sind es zwei Erkenntnisse, die Stratmann motivieren: Die Endlichkeit des Öls – und dessen über 300 prozentiger Preisanstieg seit 2003, von 23 Cent pro Liter auf heute 72 Cent. Pro Saison schluckt allein die Sielwall-Fähre rund 20.000 Liter. Stratmann: „Da müssen wir ran.“ Natürlich auch wegen der Ruß- und Kohlendioxid-Emissionen.

Zudem dränge sich der Einsatz von Elektromotoren auf dem Wasser geradezu auf. Ein großer Vorteil gegenüber dem E-Auto: Das Gewicht der Batterien stellt für Schiffe kein großes Problem dar. Speziell die Fähre benötigt ohnehin keine sehr großen Speicherkapazitäten, da sie sich sozusagen pendelnd aufladen kann. Bei jedem Halt dockt die Fähre an einen Stecker an, der sie mit frischem Saft versogt. 80 Prozent ihrer täglichen Betriebszeit verbringt die Fähre am Ufer, bedingt durch die mitunter langen Warteschlangen.

Auch der in Bezug auf E-Autos derzeit kontrovers diskutierte Vorwurf, bei Verwendung von Atomstrom einer ökologischen Mogelpackung aufzusitzen, trifft das „Hal Över“-Projekt nicht. Stratmann plant, die Fähre mit Energie des nur zwei Kilometer flussaufwärts gelegenen Weserkraftwerks zu speisen. Der Fluss selbst stellt dann den Strom bereit, den man zu seiner Überwindung benötigt: Effizienter kann ein Kreislauf kaum sein.

Möglicherweise dauert es bis zur Umsetzung der Elektro-Pläne noch zwei Jahre, Stratmann bemüht sich derzeit um Fördermöglichkeiten. Eine elektrisierte Sielwall-Fähre hätte bundesweit Modellcharakter: Abgesehen von zwei Solarfähren in Baden-Württemberg und im Saarland ist Diesel immer noch das allerorts dominante Antriebsmittel.

Im Zuge des Motorwechsels soll es eine weitere Verbesserung geben: Stratmann denkt daran, ein Zwei-Meter-Stück an die Fähre anzuschweißen, um etwa die Überfahrt mit Fahrrad-Anhängern zu erleichtern. Immerhin transportiert die Fähre pro Saison rund eine halbe Million Menschen.

Mit der Elektrifizierung größerer „Hal Över“-Schiffe rechnet Stratmann in fünf bis sechs Jahren. Sinnvoll seien Hybrid-Antriebe, die Kombination von Dieselaggregaten und Elektromotoren sowie großen Batterien, was allerdings nur bei Neubauten ökonomisch sinnvoll zu machen sei. Für ältere Schiffe gilt ohnehin Bestandsschutz bis 2045.

Die gute alte „Oceana“, Baujahr 1937, schluckt beispielsweise gut 1.000 Liter für einen Turn nach Bremerhaven und zurück. Ein Neubau würde um die fünf Millionen kosten. Im Vergleich: Der Jahresumsatz der Reederei „Hal Över“, die 1984 aus einer Bürgerinitiative zum Erhalt der Sielwallfähre hervorging, liegt derzeit bei rund vier Millionen Euro. Insofern ist eine solche Investition laut Stratmann zur Zeit nur bei einem 50-prozentigen Zuschuss leistbar.

Steigende Fahrgastzahlen machen Stratmann jedoch optimistisch, der Regionaltourismus profitiere geradezu von der Finanzkrise, allein die Bremerhaven-Verbindung sei in der vergangenen Saison 70.000 Mal genutzt worden. Die CO2-Bilanz dieser Ausflüge ließe sich deutlich verbessern.