piwik no script img

Archiv-Artikel

Rauch über Togo: Habemus dictatorem

Straßenschlachten und Tote in Togo nach der Erklärung des Wahlsiegs von Diktatorensohn Faure Gnassingbé. Offenbar greifen Oppositionelle gezielt Militär und staatliche Verwaltungsgebäude an. Opposition erklärt ihrerseits den Sieg ihres Kandidaten

AUS COTONOU HAKEEM JIMO

Nach der Bekanntgabe des amtlichen Wahlergebnisses kennt Togo zwei Sieger. Vorgestern hatte die Wahlkommission Faure Gnassingbé zum Sieger erklärt, Sohn des verstorbenen Langzeitdiktators Gnassingbé Eyadema und Kandidat der Regierungspartei RPT (Sammlung des togoischen Volkes). Gestern Nachmittag erklärte sich Emmanuel Bob Akitani, Anführer eines Wahlbündnisses der sechs wichtigsten sechs Oppositionsparteien, ebenfalls zum Sieger.

Schon nach Faure Gnassingbés Siegesverkündung waren augenblicklich Unruhen ausgebrochen. Der Zorn großer Teile der Bevölkerung richtet sich auch gegen französische Interessen wie Schulen, Hotels und Restaurants. „Bis in die Nacht lieferten sich Jugendliche Straßenschlachten mit der Polizei, Militär und den Milizen des Regimes“, berichten Bewohner Lomés. Die französische Nachrichtenagentur AFP meldete 11 Tote und über 100 Verletzte. Auch 3 Militärs sollen unter den Toten sein, sagte der togoische Innenminister.

Eine junge Frau, die am Dienstag ins Nachbarland Benin floh, berichtete allerdings von allein 12 umgebrachten Militärs in ihrem Stadtteil Bè, einer Hochburg der Opposition im Zentrum der togoischen Hauptstadt. Weil der Weg aus der Stadt vom Tumult versperrt war, kam sie über Schleichpfade nach Aneho, der letzten Stadt vor der Grenze. Sie berichtet, dass es auch hier zu mehreren Toten auf Seiten der Sicherheitskräfte gekommen sei. Kommissariate, Rathäuser, Versammlungsgebäude der Regierungspartei RPT (Sammlung des togoischen Volkes) seien Ziele der Angreifer, sagt die junge Togolesin. Die Menschen, die gegen das Regime kämpften, versuchten nun, an Waffen zu kommen.

Noch in der Nacht zu gestern flauten die Unruhen offenbar ab. Ein Augenzeuge berichtet aus Lomé: „Das Militär patrouilliert mit starker Präsenz durch die Stadt. Die Menschen kommen teils schon wieder aus ihren Häusern. Wenn man sich nicht als Oppositionsanhänger zu erkennen gibt, kann man passieren. Geschäfte sind noch geschlossen. Aber einige Marktfrauen haben wieder ihre kleinen Stände aufgemacht, um Essen zu verkaufen.“

Aber vereinzelt wurde auch gestern Gewalt gemeldet, und jeden Moment kann es wieder losgehen. Das Regime ließ verlauten, es mache die Führer der Opposition persönlich für weitere Unruhen verantwortlich. Aber seit staatliche Stellen nahezu alle Telekommunikationsnetze des Landes unterbrochen haben, ist eine gezielte Absprache unter Regimegegnern schwierig.

Trotzdem werden auch andere Aufrufe der Opposition laut. Der Generalsekretär der größten Oppositionspartei UFC (Union der Kräfte für den Wandel), Jean-Pierre Fabre, sagte im Radio in Bezug auf das amtliche Whlergebnis: „Wir rufen die Togoer auf, sich das nicht gefallen zu lassen.“

Die Haltung der internationalen Gemeinschaft ist nicht eindeutig. Aus europäischen Diplomatenkreisen ist zu vernehmen, dass das amtliche Wahlergebnis nicht der Wahrheit entspreche. Aber die Regierung Frankreichs und Westafrikas Regionalorganisation Ecowas äußerten sich grundsätzlich zustimmend. Deutschland hingegen beherbergt den kurz vor der Wahl aufgrund von Eigenkritik an den Wahlvorbereitungen geschassten togoischen Innenminister. Er hält sich auf dem deutschen Botschaftsgelände in Lomé auf, vor dem es ruhig geblieben ist. Die togoischen Behörden verlangen seine Auslieferung.

meinung und diskussion SEITE 11