: Familienschatten
DUNKLE GEHEIMNISSE Der Katalane Jaume Cabré stellt seinen Roman „Das Schweigen des Sammlers“ vor
Dass es „ein unverzeihlicher Fehler war, in diese Familie hineingeboren zu werden“, stellt Adrià Ardèvol mehr als einmal im Verlauf seines Lebens fest. Dem Protagonisten des fast 850 Seiten starken Romans „Das Schweigen des Sammlers“ von Jaume Cabré (Suhrkamp 2011, 847 S., 24,95 Euro) bleibt eine normale Kindheit verwehrt. Die ehrgeizigen Eltern wollten aus ihm entweder einen Geigenvirtuosen oder einen Universalgelehrten machen.
Auch als sich das seltsame, hochbegabte Kind längst zum berühmten Universitätsprofessor und Publizisten entwickelt hat, wird sein Leben noch immer von seiner Herkunft überschattet. Adrià deckt dunkle Familiengeheimnisse auf und muss erkennen, wie ruchlos sein kultivierter Vater beim Erwerb der von ihm begehrten Antiquitäten vorgegangen war. Eine besondere Rolle spielt eine wertvolle Storioni-Geige aus dem Jahr 1764, die im Zusammenhang mit der Ermordung von Adriàs Vater, Felix Ardèvol, steht. Cabré verfolgt die Geschichte des Instruments und die Schicksale der Menschen, durch deren Hände es gegangen ist, über Jahrhunderte zurück.
„Ich wollte einen europäischen Roman schaffen“, sagt Jaume Cabré, der seinen Roman an Schauplätzen überall in Europa spielen lässt – darunter auch im süddeutschen Tübingen. Mit seiner immer legeren Kleidung, dem freundlichen Lächeln unter dem angegrauten Bart und seinem herzlichen Umgangston ist Jaume Cabré das Understatement in Person. Doch der bescheidene 64-Jährige, der in Deutschland vor allem mit „Die Stimmen des Flusses“ bekannt wurde, ist der derzeit wohl wichtigste Autor seiner katalanischen Heimat. Bereits vor dem Erscheinen von „Das Schweigen des Sammlers“ wurde er in Katalonien für sein Lebenswerk mit dem „Premi d’honor de les lletres catalanes“, dem „Ehrenpreis der katalanischen Literatur“ ausgezeichnet.
Neun Jahre lang rang der 1947 in Barcelona geborenen Cabré mit „Das Schweigen des Sammlers“. Nun ist er damit in Deutschland auf Lesereise und macht am 22. Februar in Hamburg Station. Kirsten Brandt hat als Übersetzerin (gemeinsam mit Petra Zickmann) die sorgfältig ausgefeilte Sprachmelodie verlustfrei und in Rekordzeit ins Deutsche übertragen und wird die Veranstaltung moderieren. ANNIKA MÜLLER
■ Mi, 22. 2., 20.30 Uhr, Buchhandlung Heymann, Eppendorfer Landstraße 77