VW-Abgeordnete müssen mächtig zahlen

Drakonische Strafen für zwei SPD-Parlamentarier: Jahrelang haben sie neben ihren Diäten Bezüge von Volkswagen erhalten – ohne dafür zu arbeiten. Niedersachsens SPD-Chef Sigmar Gabriel wollte die beiden nicht in Schutz nehmen

„Das wäre so, als ob ich vor dem Rathaus den Rasen mähe und nachher Oberbürgermeister Schmalstieg sage, ihr müsst mir das auch zahlen“, meinte Landtagspräsident Jürgen Gansäuer und machte damit klar, dass er im Fall der beiden niedersächsischen SPD-Abgeordneten knallhart durchgreifen werde. Weil „Autos verkaufen“ im Vertrag von Ingolf Viereck mit VW nicht auftaucht, könne er diese Tätigkeit auch nicht auf die Strafzahlung des Abgeordneten anrechnen, betonte der CDU-Mann. Viereck hatte stets betont, er habe etwa 100 Autos des Konzerns an „VIPs“ verkauft – und dafür von VW ein Gehalt kassiert. Er handle nicht „als politischer Inquisitor“, sagte Gansäuer gestern – und verkündete dann das drakonische Strafmaß: der Wolfsburger SPD-Abgeordnete Viereck muss 343.519, sein Helmstedter Kollege Hans-Herrmann Wendhausen 422.954 Euro in die Landeskasse abführen.

Der Grund: Die SPDler haben über zehn Jahre lang neben ihrer Abgeordnetentätigkeit für VW gearbeitet, ohne dafür eine Gegenleistung erbracht zu haben. Das ist laut Abgeordnetengesetz verboten, der Vorwurf des Lobbyismus scheint erwiesen. Der Raffke-Vorwurf kommt dazu: Neben ihren Diäten – derzeit 5.400 Euro – verdienten Viereck und Wendhausen monatlich mehrere tausend Euro bei VW, Dienstwagen und Benzin gab es gratis. Der 43-jährige Viereck ist Diplom-Ingenieur, der 58-jährige Wendhausen technischer Angestellter. Ihr Beschäftigungsverhältnis ruht mittlerweile. Wendhausen hatte angegeben, er habe sich fortgebildet, um später beim Konzern wieder einsteigen zu können. Gansäuer, der sich auf mehrere Gutachten stützt, ist der Meinung, beide seien von VW freigestellt worden – nur die Fortbildungen rechnete er als „Tätigkeit“, insofern „strafmildernd“ an.

Neben dem „politisch verheerenden Schaden, den sie sich selbst zugefügt haben“, stünden Viereck und Wendhausen nun auch „vor dem wirtschaftlichen Ruin“, sagte SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel, der einst selbst einen Audi A 4 über Viereck kaufte. Er könne seine Abgeordneten „vor den Vorwürfen nicht in Schutz nehme“, betonte Gabriel. Viereck, der gestern bekannt gab, dass er seinen Posten als ehrenamtlicher Bürgermeister von Wolfsburg aufgibt, sei nicht mehr sportpolitischer Sprecher der Fraktion, Wendhausen verliert seinen Posten im Wirtschaftsausschuss. Ihr Mandat dürfen beide behalten: Sie hätten nicht absichtlich gegen das Abgeordnetengesetz verstoßen, sagte Gabriel.

Der Anwalt der beiden SPDler betonte bereits, dass das Abgeordnetengesetz aus seiner Sicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt. Die Vorgaben für verbotene Nebeneinkünfte gälten nur für Angestellte, nicht aber für Freiberufler. Neben Niedersachsen haben nur die Landtage im Saarland und in NRW vergleichbare Regelungen. Dennoch habe es „in der deutschen Parlamentsgeschichte einschließlich der Weimarer Republik einen solchen Fall noch nicht gegeben“, sagte Gansäuer. Und: Wenn etwas Ähnliches „in Hessen passiert wäre, hätte es nur eine Verwarnung des Präsidenten gegeben“. K. Schöneberg

siehe auch Inland Seite 8