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Archiv-Artikel

Über die Uckermark nach Europa

Ein Jahr nach dem EU-Beitritt Polens steht ein Gewinner fest: der Immobilienmarkt. Deutsche kaufen Eigentumswohnungen an der polnischen Ostseeküste. Umgekehrt ziehen Stettiner Studenten in leerstehende Plattenbauten in Ostdeutschland

VON MONIKA STEFANEK

Der Immobilienmarkt in Westpommern erlebt zurzeit einen Ansturm von ausländischen Kunden. Bei Deutschen, darunter vielen Berlinern, ist neben Stettin vor allem Międzyzdroje/Misdroy beliebt, das immer öfter als polnische Sommerhauptstadt bezeichnet wird.

„Seit dem EU-Beitritt Polens ist das Interesse erheblich gestiegen“, meint Małgorzata Baumgart, Geschäftsführerin des Immobilienbüros Extra Invest in Stettin. „Das spiegelt sich unter anderem in den abgeschlossenen Kaufverträgen.“ Die Art der von den deutschen Kunden gesuchten Immobilien hängt vor allem von ihrer Kaufkraft ab. Die Appartements in Misdroy und den anderen Ostseekurorten sind jedoch die Marktrenner.

„Die Deutschen kommen gern an die polnische Ostseeküste, um hier Urlaub zu machen“, stellt Krystyna Drońska vom Stettiner Immobilienbüro Rent-Nieruchomości fest. „Die Hotels in Misdroy sind das ganze Jahr ausgebucht. Deswegen entschließen sich Touristen, sich ein eigenes Appartement zu leisten. Dorthin können sie immer kommen, wenn sie wirklich Zeit und Lust haben.“ Gefragt sind auch Häuser und Wohnungen, sowohl an der Ostsee als auch in Stettin. In der Regel werden sie von den deutsch-polnischen Ehepaaren gekauft.

Aber nicht nur die Deutschen können von der Osterweiterung profitieren. Seit ein paar Monaten suchen auch junge, gutausgebildete Polen ihre Chance da, wo sie die Deutschen nicht vermuten – in Ostdeutschland. Mitte November gründete ein Zusammenschluss von neun deutschen Wohnungsgesellschaften aus dem Landkreis Uecker-Randow ein Nachbarschaftsbüro in Stettin. Das Ziel war, polnische Bürger bei der Ansiedlung in Ostdeutschland zu unterstützen. Allein in diesem Landkreis stehen 1.200 leere Wohnungen, Häuser, aber auch Büroflächen zur Verfügung. Oft sind die Immobilien sogar billiger als in Stettin.

Ein paar Monate nach der Eröffnung des Büros kann man schon von ersten Erfolgen sprechen. Mehr als 800 Polen informierten sich über die Möglichkeit des Immobilienkaufs hinter der Grenze. Bisher wurden 14 Wohnungen vermietet und acht Häuser verkauft. Polnische Bürger gründeten zudem vier kleine Unternehmen im Landkreis Uecker-Randow. „Ich denke, das ist ein gutes Ergebnis“, sagt Magdalena Pysz, die Koordinatorin des Nachbarschaftsbüros in Stettin. Ihr Erfolgsrezept heißt, sich Zeit zu nehmen. „Es hilft nichts, wenn man die Immobilien alle an einem Tag verkauft. Die Leute müssen Zeit haben, um sich zu entscheiden.“

Ewa Faściszewska ist bereits nach Ostdeutschland gezogen. Die 23-jährige Studentin aus Stettin wohnt seit ein paar Monaten zusammen mit ihren Freunden Magda und Mariusz in Strasburg in der Uckermark. Zweimal pro Woche fährt Ewa die 60 Kilometer mit dem Zug nach Stettin, um dort zu studieren. Die deutsche Kleinstadt findet sie attraktiver als die Hauptstadt von Westpommern. „Hierher zu kommen, das bedeutet für mich, etwas gegen den Strom zu machen“, sagt Ewa. „Ich will mich selbst überprüfen, wie ich diese Herausforderung schaffe.“

Mehrmals sahen die Polen ein Staunen auf den Gesichtern der Strasburger Einwohner, als diese erfuhren, warum die Studenten nach Ostdeutschland gezogen sind. Oft konnten sie nicht glauben, dass die jungen Polen hier eine Chance für sich sehen. Dort, wo keine Zukunft, keine Arbeit ist. Dort, von wo die Jugendlichen fliehen, statt zu bleiben.

Polnische Studenten oder Akademiker sind in Ostdeutschland besonders gern gesehen. Ersteren bietet das Nachbarschaftsbüro Hilfe bei der Suche nach Praktikumsplätzen im Landkreis Uecker-Randow. Dabei haben sie die gleichen Rechte wie die deutschen Studenten. Bis zu 180 Tage pro Jahr dürfen sie in Deutschland ein Praktikum absolvieren.

Es ist aber zweifelhaft, ob die polnischen Studenten für längere Zeit in Ostdeutschland bleiben. Nach dem Studium wollen Ewa, Mariusz und Magda Strasburg wieder verlassen, um vielleicht nach Berlin oder noch weiter zu ziehen. „Ich bin sicher, dass ich nur zeitweise in Strasburg bleiben will“, meint Mariusz, ein 25-jähriger Warschauer. „Bestimmt ist das ein guter Ort für junge Familien. Für mich ist der Aufenthalt in Strasburg aber nur eine Brücke nach Europa.“