: Der alte Fuchs jagt die Hasen
betr.: „Joschka Fischer wird Scheinheiliger“, „Ein Minister im Büßerhemd“, „Schreiben Sie: Fischer ist schuld“ u. a., taz vom 26. 4. 05
Das Ereignis, über das uns die taz auf vier Seiten ausführlich informiert, war eigentlich gar keins – wenn man der Berichterstattung dieser Zeitung im Vorfeld von Fischers TV-Auftritt Glauben schenkt. Wozu also dann so viel journalistischer Aufwand? Dem taz-Publikum dürfte die Befragung des Ministers am Gesäß vorbeigehen, dem Rest des deutschen jWahlbürgertums ebenfalls.
UWE TÜNNERMANN, Lemgo
Was immer auch das Ziel dieser öffentlichen Befragung zur Visa-Affäre in Deutschland war, meines Erachtens ist diese Art von Reality-TV völlig überflüssig!
Eigentlich hat sich nach diesem TV-Befragungsmarathon genau gar nichts geändert. Zu spekulieren, wem dies nun geschadet oder geholfen hat und wie sich dies auf die nächsten Wahlen auswirken wird, ist nicht viel mehr als aus dem Kaffeesatz die Zukunft herauslesen zu wollen. Ich behaupte der durchschnittlich Politik interessierte Bürger, ist bei all diesen Detail- und Verfahrensfragen in der Befragung völlig überfordert gewesen. Was bleibt, war eigentlich schon vorher klar. Joschka Fischer räumte Fehler ein, tritt aber nicht zurück. Die Opposition wollte die Versäumnisse des Außenministers weiter skandalisieren und ihn politisch „begraben“, doch dies ist misslungen. Nun versuchen natürlich die verschiedenen Parteien sich als Gewinner zu mokieren, doch gewonnen hat nach dieser TV-Debatte niemand. Es gilt aber die Frage einzuwerfen, ob diese Parteien und ihre Vorsitzenden tatsächlich fähig sind, die Probleme Deutschlands gemeinsam zu lösen und hier muss ein großes Fragezeichen dahinter gesetzt werden.
PASCAL MERZ, Littau, Schweiz
Der alte Fuchs jagt die Hasen. Man kann zu Fischer stehen, wie man will, aber er hat seine Rolle in der Farce des Visa-Untersuchungsausschusses hervorragend gespielt. Von vornherein war klar, dass dieser Ausschuss einzig und allein dazu da war, Fischer politisch zu schwächen. Das ist gründlich misslungen. Die Fakten geben und gaben schlicht und einfach nicht genügend her, um zu einer großen Affäre aufgeblasen zu werden: Es ging nicht um Rechtsbeugung, Bestechung in großem Stil oder auch um Verschiebung von Spendengeldern. Daher ist es nur folgerichtig, dass keine neuen „Wahrheiten“ ans Licht kommen konnten. Ganz einfach auf diesen Einschätzungen beruhte die aktive Verteidigungsstrategie von Fischer. Hinzu kommt, dass die von der Opposition aufgefahrenen Mitspieler weit unter dem Niveau des Außenministers agierten. Zumindest die Wortführer sind technokratische Karrieristen, die den Ausschuss als Sprungbrett für lukrative Posten ansehen. Nehmen wir als Beispiel v. Klaeden, der außer der Karriereleiter seiner Partei sicherlich noch nicht viel von der Welt gesehen hat. Oder den Vorsitzenden Dr. Uhl, der Fragen auf dem Level von früheren Kriegsdienstverweigererverhandlungen stellte.
Insgesamt ein wunderbares Stück Fernsehgeschichte, dass die (sicherlich nicht ungefährliche) Faszination an der Person Fischer erklärlich macht. Bedenklich stimmt neben aller kurzweiligen Zerstreuung allerdings die Erkenntnis, dass in der heutigen Demokratie weniger Probleme gelöst werden, sondern eher viel Zeit und Geld für solche Showeinlagen verwendet werden.
ANDREAS HAUER, Saarbrücken
Die Frage, welche Konsequenzen Fischer daraus ziehen sollte, dass er die Verantwortung für die Fehler bei der Visa-Vergabe trägt, ist danach zu beantworten, wie schwer die Fehler waren. Kapitale Fehler, die auf mangelnde Fähigkeit zur Führung eines Amts hinweisen, sollten zum Rücktritt führen. Die Opposition versucht, es darzustellen, als trage Fischer die Verantwortung für eine deutliche Zunahme von Prostitution und Schwarzarbeit. Eine deutliche Zunahme von Kriminalität durch vorschnell genehmigte Visa lässt sich nicht einmal heute nachweisen, daher kann auch niemand Fischer vorwerfen, er habe sie früher ignoriert. Alles richtig macht niemand. Wo kämen wir hin, wenn deswegen alle jedes Mal ihre Ämter aufgäben, wenn sich Fehler herausstellten? JAN H. HÖFFLER, Berlin
Ihre Berichterstattung scheint mir doch sehr wohlwollend zu sein. Dass Fischer während seines über zweistündigen Eingangsstatements „ganz Herr des Verfahrens“ war, ist wohl kaum die treffende Beschreibung für einen Solovortrag, wie er auch im Bundestag hätte gehalten werden können und in dieser Form zu den Minimalanforderungen an einen Politiker gehört. „Fleißiger Detailkenner“? In weiten Teilen konfuses, unerträgliches, peinliches Geschwätz. Wenn er in Zusammenhang mit seinen Erfahrungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung stammelnd auf eine frühere Tätigkeit in einer Kindergeldstelle verweist, dann fange ich an, mich für unseren Außenrepräsentanten zu schämen. Allerdings wird die Scham zunehmend von Besorgnis um das Wohl unserer Demokratie verdrängt.
MICHAEL HOFFMANN, Scheden
Die Verteidigungslinie ist klar. Das Thema wird so lange bearbeitet und in die Länge gezogen, bis es von der Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen wird. Wer erinnert sich z. B. noch an den U-Boot-Untersuchungsausschuss und Norbert Gansel? Eben! Fischer ist auf diesem Weg ein großes Stück vorwärts gekommen.
KLAUS SAMER, Witten
betr.: „Volmer macht sich klein“, taz vom 22. 4. 05
Wie Bettina Gaus in ihrem Kommentar richtig formuliert, zählen Behauptungen mehr als Beweise. Das ist der moderne Zeitgeist, der sich wie ein roter Faden durch die Berliner „Reform“-Politik zieht. Die eigentlichen Verlierer sind die Rädelsführer von CDU/CSU. Spätenstens wenn die Partei wieder Regierungsverantwortung übernimmt, muss sie sich fragen lassen, ob sie noch hinter dem europäischen Einigungsprozess steht. Mit Türken, Dänen und Ukrainern wurden in jüngster Vergangenheit gleich drei Volksgruppen undifferenziert diffamiert – unter stillschweigender Duldung von Angela Merkel und Edmund Stoiber! RASMUS PH. HELT, Hamburg
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