Regierung mit Leerstellen

Nach langem Gerangel steht die Übergangsregierung in Bagdad. Vielleicht bis Jahresende. Denn das Gerangel geht weiter

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Der Irak hat endlich eine Regierung, wenngleich immer noch keine vollständige. Drei Monate nach den Wahlen hat das irakische Parlament der von Ministerpräsident Ibrahim Dschaafari vorgeschlagenen Kabinettsliste mit der überwältigenden Mehrheit von 185 zu 5 Stimmen sein Vertrauen ausgesprochen. Ein Drittel der Abgeordneten war allerdings nicht anwesend. Erwartungsgemäß folgte die Aufteilung der Ministerien mit 17 schiitischen, 8 kurdischen, 6 sunnitischen und einem christlichen Minister in etwa der konfessionellen und ethnischen Zusammensetzung des Landes. 7 Frauen erhielten Kabinettsposten.

Doch selbst dieser späte Start verlief nicht ohne Stolpern. So kam es bei der Übergangsregierung zu einer peinlichen Übergangslösung. In dem Kabinett, das nur bis Ende des Jahres im Amt bleiben soll, wurden 7 Ämter, vor allem in den strategischen Ministerien, und einige Stellvertreter des Ministerpräsidenten gar nicht oder nur zeitweilig besetzt wie die Ressorts Verteidigung, Öl, Elektrizität, Industrie sowie das Menschenrechtsministerium. Das Verteidigungsministerium wird vorerst kommissarisch von Ministerpräsident Dschaafari geleitet, bis ein geeigneter sunnitischer Kandidat gefunden werden kann. Die Sunniten hatten die Wahlen boykottiert, trotzdem sollten sie im Kabinett vertreten sein, nicht zuletzt als Versuch, die weitgehend von der sunnitischen Bevölkerung getragene Guerilla politisch zu isolieren. Doch viele der sunnitischen Kandidaten gelten aufgrund ihrer Kontakte zum alten Saddam-Regime als diskreditiert. Daher nun die „offenen sunnitischen Kabinettsstellen“.

Aber auch innerhalb der schiitischen Liste, die bei den Wahlen fast die absolute Mehrheit erlangt hatte, streitet man sich weiter über die Besetzung des lukrativen Öl- und des Elektrizitätsministeriums. Ahmad Tschalabi, umstrittener einstiger Liebling des Pentagons, gegen den in Jordanien wegen Missbrauch von Geldern bei einstigen Bankgeschäften ein Verfahren läuft, darf vorläufig die wichtigste Ressource des Landes im Ölministerium verwalten.

Dagegen ging der bisherige Ministerpräsident Ajad Allawi, dessen Liste 40 Parlamentssitze inne hat, leer aus. Einigen religiösen Schiiten galt er als zu säkular, manchen Sunniten als zu nahe an der US-Besatzung, andere nahmen ihm wiederum übel, dass er die Säuberung der Institutionen von Mitgliedern der ehemaligen Staatspartei Baath nicht konsequent verfolgt hat. In den nächsten Tagen soll Allawi nun sein Amt übergeben.

Mit der langen Verzögerung bei der Regierungsbildung wurde viel politisches Kapital verschleudert, das vor drei Monaten durch die hohe Wahlbeteiligung gewonnen worden war. Da man sich jetzt immer noch nicht auf die Besetzung aller Ämter einigen konnte, werden auch weiter viele Iraker nicht das Gefühl loswerden, dass die Guerilla täglich effektive Anschläge durchführt, während von Seiten der gewählten Volksvertreter unnötig Zeit verschwendet wird. Am Mittwoch wurde die Schiitin Lamia Abed Khadouri vor ihrem Haus erschossen. Die 50-Jährige ist damit die erste gewählte Volksvertreterin, die einem Anschlag zum Opfer fällt.