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Archiv-Artikel

„Ich bin heute Klaus“

TEDDY AWARDS Die Massen irren nicht – „Parada“ von Srdjan Dragojevic wählten die Leser der „Siegessäule“ auf Platz 1. Weitere Auszeichnungen gingen an „Loxoro“, „Call me Kuchu“, „Jaurès“ und Mario Montez

Höhepunkt des Abends: John Waters’ rührende Laudatio an Mario Montez

VON ENRICO IPPOLITO

Wo ist Wowi? Das war die Frage des Abends bei den Teddy Awards im Flughafen Tempelhof. Klaus Wowereit fehlte offensichtlich und keine/r wurde müde, es mehrfach zu betonen. Als Dieter Kosslick, Berlinale-Chef, auf die Bühne gerufen wurde, eröffnete er das Gespräch mit: „Hallo Papst, hallo Klaus.“ Der Regierende Bürgermeister Wowereit war das Wochenende in Rom und begleitete Erzbischof Woelki zur Erhebung in den Kardinalsstand durch den Papst.

Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration in Berlin, gab endlich Antwort auf die Frage des Abends: „Ich bin heute Klaus.“ Außerdem freue sie sich sehr, bei den Teddy Awards zu sein, schließlich sei sie für den Bereich Queer zuständig. Schön, wie die Politikerin queer mit „quer“ verwechselte – und den Anglizismus offensichtlich scheut. Bis auf den vermissten Wowereit blieb bei der 26. Verleihung des queeren Filmpreises fast alles wie gewohnt. So mussten sich auch dieses Jahr wieder die Gäste vor der Sponsorenwand mit halbnackten glattrasierten Jungs fotografieren lassen. Einzige Änderung: Schauspieler und „X Factor“-Moderator Jochen Schropp führte durch den Abend und nicht Arte-Moderatorin Annette Gerlach.

Belgrad, gay and pride

Schropps Moderation tat nicht weh, das ist schon mal ein Gewinn für die Teddy Awards. Dafür tat es das Programm um so mehr. Es fehlte an Konzept. Will man Politveranstaltung sein oder Unterhaltung bieten? Die Mischung aus beidem funktionierte nicht wirklich. Der erste Preis des Abends, gewählt von den Leser/innen der Siegessäule, ging an „Parada“ von Srdjan Dragojevic. Der Regisseur drehte eine Komödie, in welcher schwule Aktivisten Exkombattanten als Sicherheitskräfte für den Belgrader Gay Pride 2010 anheuern.

Dragojevics Film wird kontrovers diskutiert, doch auf der Gala wurde dies nicht thematisiert. Und das, obwohl Kosslick in seinem Eröffnungsgespräch bereits sagte: „Ich habe mich nicht getraut, ‚Parada‘ in den Wettbewerb zu nehmen.“ Der Moderator verfehlte es nachzuhaken, und so blieb die Aussage unkommentiert in der viel zu großen Halle stehen.

Es folgte der Auftritt der Elektro-Clash-Performarin Peaches in ihrem Brüste-Kostüm. Nach dem Song „Talk To Me“ geht es auch schon weiter mit dem Programm. Als bester Kurzfilm wurde „Loxoro“ ausgezeichnet, den Jury-Teddy bekam „Jaurès“, und der Regisseur Vincent Dieutre zitierte Che Guevara bei der Überreichung des Teddys mit: „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker – daher hoffe ich, einen zärtlichen Film gedreht zu haben.“ Den Preis für die beste Dokumentation erhielten die Regisseurinnen Malika Zouhali-Worrall und Katherine Fairfax Wright für ihren Film „Call me Kuchu“ über David Katos, den ersten schwulen Aktivisten in Uganda. Bei der Preisübergabe waren die zwei Regisseurinnen zu Tränen gerührt.

Ständig wurde die Veranstaltung unterbrochen – von Musikacts wie Stereo Total und Marianne Rosenberg sowie vom Akrobaten Mirko Köckenberger, der zeigt, wie man einen Handstand macht und sich gleichzeitig dabei aus- und wieder anzieht. Und plötzlich versucht man politisch zu sein mit dem „Teddy Topic“. Moderator Jochen Schropp spricht mit Nicolas Beger, dem Direktor des Amnesty International European Institutions Office in Brüssel, über „Transrespect versus Transphobia“. Es geht unter anderem um Alltagsdiskriminierung und Zwangssterilisierung von Transsexuellen und Menschen mit Transidentitäten. Das Gespräch bleibt oberflächlich, das Publikum soll nicht überfordert werden. Und danach schon wieder Musik.

Einziger wirklicher Höhepunkt des Abends: John Waters’ rührende Laudatio an Mario Montez, der mit dem Special Teddy Award ausgezeichnet wurde und laut Waters „der erste Superstar überhaupt ist“. Waters selbst war nicht in Berlin und wurde via Skype aus Baltimore zugeschaltet. Montez sah hinreißend aus und nahm in einem langen und schulterfreien schwarzen Abendkleid den Preis entgegen. Ehrfürchtig las der 76-Jährige eine endlos lange Liste vor von Menschen, die ihn über die Jahre begleitet haben. Die Queer-Underground-Ikone arbeitete unter anderem mit Andy Warhol und Jack Smith.

Der zweite Special Teddy ging an die Regisseurin Ulrike Ottinger. Als bester Film wurde Ira Sachs „Keep The Lights On“ ausgezeichnet. Sachs Werk ist ein intimes Porträt über eine langjährige Beziehung – mit all ihren Höhen und Tiefen.

Am Ende hat Dieter Kosslick bereits in seiner Eröffnung alles gesagt. Als Schropp fragte, ob er auch zur Party bleibe, antworte der Berlinale-Chef: „Ich hab noch den ein oder anderen seriösen Termin.“