piwik no script img

Archiv-Artikel

Kuba und Guantánamo

betr.: „Europarat kritisiert USA wegen Haftbedingungen in Guantánamo“, taz vom 26. 4. 05

Die eigentlich überfällige Kritik des Europarates an der US-Politik im Gefangenenlager auf dem US-Stützpunkt Guantánamo wirft Fragen auf. Am 21. April 2005 hatte die UN-Menschenrechtskommission in Genf über einen Resolutionsentwurf Kubas zur gleichen Thematik abgestimmt. Alle in der Menschenrechtskommission vertretenen Länder der EU haben geschlossen gegen den kubanischen Antrag gestimmt, darunter auch Deutschland. Wenige Tage später kritisieren dieselben Länder im Europarat einstimmig die „unmenschliche und rechtswidrige“ Politik der USA auf Guantánamo.

Mit der Ablehnung des kubanischen Resolutionsentwurfes hat die EU die US-Folterpraktiken in Guantánamo gebilligt. Diesen Vorwurf wollte man sich, angesichts der skandalösen Menschenrechtsverletzungen auf dem US-Stützpunkt, nicht einhandeln. Durchsichtig und in aller Eile musste der Europarat Schadensbegrenzung leisten. Selektiv instrumentalisiert die EU damit erneut die Menschenrechte, vor allem wenn es gegen Kuba geht. Hier diktieren die USA das Verhalten der EU. Es handelt sich um eine abgestimmte Politik mit dem Ziel, Kuba sturmreif zu isolieren.

Es ist an der Zeit, dass sich die EU von dieser Doppelmoral verabschiedet und zu einer von den USA unabhängigen, eigenständigen Kubapolitik findet. Was hindert die EU daran, sich für die Auflösung des widerrechtlich von den USA besetzten Marinestützpunktes in Guantánamo einzusetzen oder sich mit normalen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu Kuba gegen die völkerrechtswidrige US-Blockadepolitik zu positionieren? Die derzeitige Kubapolitik der EU, wie auch ihre Kritik am US-Gefangenenlager in Guantánamo, ist heuchlerisch und damit unglaubwürdig.

REINHARD THIELE, Berlin