: Kein kurzer Prozess
VERFAHREN Die Auslieferung Schreibers verzögerte sich immer wieder. Auch der Prozess dürfte langwierig werden. Vier Fragen und vier Antworten
1. Warum wurde Schreiber erst jetzt ausgeliefert?
Gegen Schreiber bestand schon seit 1997 ein deutscher Haftbefehl. Aus der Schweiz flüchtete er 1999 nach Kanada. Deutschland verlangte umgehend seine Auslieferung, doch Schreiber wehrte sich vor Gericht. Erst im Mai 2004 entschied ein kanadisches Bezirksgericht, dass Schreiber nach Deutschland ausgeliefert werden kann.
Im Oktober 2004 ordnete der damalige kanadische Justizminister Schreibers Ausweisung an. Gegen beides klagte Schreiber bis zum Obersten Gerichtshof Kanadas, der erst im Oktober 2007 das letzte Rechtsmittel Schreibers ablehnte. Nun spielte Schreiber einen politischen Trumpf. Er gab an, dass er den ehemaligen kanadischen Premierminister Mulroney im Zusammenhang mit einem Flugzeug-Geschäft bestochen habe. Da er nun einem Untersuchungsausschuss als Zeuge zur Verfügung stehen musste, konnte Schreiber weitere eineinhalb Jahre in Kanada bleiben. Letzte Woche endete der Untersuchungsausschuss.
2. Hat das Auslieferungsverfahren auch aus Rücksicht auf CDU-Kreise so lange gedauert?
Dafür ist bisher nichts ersichtlich. Das Verfahren in Kanada dauerte wohl eher deshalb so lange, weil Schreiber auch kanadischer Staatsbürger war und sich immer als von der deutschen Justiz politisch Verfolgter darstellte. Für das völkerrechtliche Auslieferungsverfahren waren im Übrigen während der ganzen Zeit SPD-Justizministerinnen zuständig, zunächst Herta Däubler-Gmelin, später Brigitte Zypries. Bei beiden ist übertriebene Rücksichtnahme auf CDU-Interessen nicht naheliegend. Zypries hatte erst letzte Woche eine schnelle Auslieferung angemahnt. Der Bundestag hat 2005 sogar in einer „Lex Schreiber“ das Verjährungsrecht geändert. Danach ruht die Verjährung einer Straftat auch dann, wenn der Beschuldigte ins Ausland geflohen ist und ein Auslieferungsverfahren läuft.
3. Warum beginnt der Prozess in Augsburg erst nach der Bundestagswahl?
Da Schreiber alle Bestechungs-Vorwürfe bestreitet, ist ein aufwendiger Indizienprozess mit langer Beweisaufnahme erforderlich. Die Augsburger Staatsanwaltschaft rechnet damit, dass der Prozess ein Jahr dauern könnte. So ein Mammutprozess kann nicht sofort starten, auch wenn die Anklage gegen Schreiber von der Staatsanwaltschaft bereits im März 2000 erstellt und vom Augsburger Landgericht im August 2000 zugelassen wurde. Sowohl die Richter als auch die Verteidiger Schreibers müssen sich erst in die umfangreichen Akten einlesen, Zeugen müssen ausgewählt und geladen werden. Es wäre deshalb eher ungewöhnlich und damit politisch verdächtig gewesen, wenn der Prozess noch vor der Bundestagswahl am 27. September begonnen hätte.
4. Könnte sich Schreiber am Ende mit einem Deal retten?
Wer aufwendige Prozesse durch ein Geständnis abkürzt, kann mit einer milderen Strafe rechnen. Solche Absprachen im Strafprozess sind schon lange zulässig und seit kurzem auch gesetzlich geregelt. Bisher zeigt Schreiber jedoch keinerlei Geständnisbereitschaft. Eher könnte er von der neuen Kronzeugenregelung profitieren, wenn er seine Drohungen wahr macht und bei der Aufklärung anderer Straftaten hilft. Die meisten Vorgänge, von denen er Kenntnis hat, dürften allerdings längst verjährt sein.CHRISTIAN RATH