: berliner szenen Ein Nachtgespräch
Neuseeland im nbi
Der Mann hatte Redebedarf. Mit festem Blick kam er im neuen nbi auf mich zu und begann betont kumpelhaft: „Hey, du, das ist doch blöd, hier nur rumzustehen und Bier zu trinken, lass uns quatschen.“ Genau so sah er aus: schlaksig, lieb, mit zurückgekämmten, zu einem kleinen Zopf gebundenen Haar; kein typischer nbi-Gast, doch erzählte er zugleich, dass ihm das alte nbi mit seiner rumpeligen Einrichtung viel mehr gefallen habe. Der neue Kulturbrauerei-Charme, so der Blondbezopfte, behage ihm nicht, „das ist mir hier alles zu geleckt“.
Als wir das mit dem neuen nbi geklärt hatten, erläuterte der Blondbezopfte das letzte Konzert von Philip Boa im neuen frannz. Auf meinen Hinweis, schon was älter zu sein und Boa aus den Augen verloren zu haben, kam er umstandslos auf Konzerte der Fuzztones und David Thomas zu sprechen. Wirklich interessant wurde es, als wir uns Neuseeland näherten, dort hatte er über zehn Jahre gelebt. In mindestens zwanzig Bands hätte er auf Neuseeland gespielt, so der Blondbezopfte. Ja, klar, Chris Knox, dessen Soloplatten seien nichts, und ja, The Chills, The Clean, The Gordons, alle super. Mit Martin Phillipps von den Chills und David Kilgour von The Clean hätte er sogar mal eine Band gehabt. Überhaupt der Philipps: „Ein ganz tragisches Schicksal. Der ist neulich erst in Dunedin beim Klauen in einem Supermarkt erwischt worden. Das stand auf der ersten Seite der Lokalzeitung, das muss man sich mal vorstellen!“ Nachdem wir uns noch über das Gesamtwerk der Able Tasmans ausgetauscht hatten und auch über das momentane Desinteresse an neuseeländischer Popmusik in den USA und Europa, ging der Blondgezopfte Bierholen. Sein Redebedarf war gestillt.
GERRIT BARTELS