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In Lomé herrscht immer noch Angst

In der togoischen Hauptstadt verbreiten Polizisten und Soldaten Angst und Schrecken unter der Bevölkerung. Über 11.500 Menschen sind bereits aus dem westafrikanischen Land geflohen. Menschenrechtler rufen zu einem runden Tisch auf

VON ANNALENA EDLER

Eine Woche nach den Präsidentschaftswahlen in Togo bleibt die Lage in dem westafrikanischen Land weiter gespannt. Obwohl im Zentrum der Hauptstadt Lomé wieder mehr Geschäfte geöffnet haben, Zeichen eines alltäglichen Lebens, ist die Unruhe nach wie vor spürbar. „Die Menschen haben Angst, die Gewalt hält an,“ berichtet Sibylle Faust, Mitglied des deutsch-französischen Netzwerks „Soutien Togo“ und Vertreterin des ASA-Programms, aus Lomé. „Wir werden von einer Militärpatrouille angehalten. Routine. Ein paar Scheine, um weiterfahren zu können. Aber diesmal zahlen wir das Geld mit einem Knoten der Angst im Magen. Meine Kollegen riskieren, inhaftiert zu werden. Später ruft man mir nach: „Yovo, au revoir, auf Wiedersehen!“

Yovo, der Weiße, ist in der Stadt nicht mehr bei jedem willkommen. Davon zeugen auch die verkohlten Mauern des Goethe-Instituts, die vermutlich von Soldaten in Zivil in Brand gesetzt wurden, als Vergeltung für die Weigerung der deutschen Botschaft in Lomé, den ehemaligen Innenminister, François Boko, auszuliefern.

Unterdessen versuchen immer mehr Menschen, die Stadt in Richtung Ghana und Benin zu verlassen. Nach Angaben der UNO sind bis vergangenen Samstag mehr als 11.500 Menschen geflohen. In der Stadt patrouillieren Polizei, Militär und andere „Ordnungskräfte“. Sie scheinen der Taktik möglichst harter Repressionen mit möglichst wenigen Toten zu folgen und setzen auf Angst und wenig internationale Reaktion.

Am vergangenen Donnerstag wird vor allem die Bevölkerung von Bè Chateau und Bè Kpota, Stadtvierteln von Lomé, terrorisiert. Gendarmen, Polizisten und andere stürmen bewaffnet in Häuser und prügeln wahllos auf Familien ein. Simon, ein Bewohner von Bè, berichtet, wie Menschengruppen in Panik durch die Straßen rennen und versuchen, das Viertel in Richtung Gbenidji zu verlassen. Simon selbst versucht ebenfalls, davon zu kommen. In Bè Plage aber, in der Nähe des Hôtel de la Paix, gibt es kein Weiterkommen mehr, überall steht Militär, die Straßen sind abgesperrt. Er wendet sich an Passanten, die ihm Unterschlupf gewähren – ein Stück Solidarität inmitten der Gewalt. Er bleibt auf dem Dach des Hauses, die Familie sitzt schlotternd vor Angst in ihren Zimmern.

Auf einer Konferenz der zivilgesellschaftlicher Gruppen in Lomé am Freitagnachmittag zeigt sich ein Mitglied der Afrikanischen Liga für Menschenrechte aus Mali mehr als beunruhigt. Für die Liga war er schon in mehreren Ländern Afrikas zur Wahlbeobachtung, aber er sagt: „Wahlen wie diese habe ich noch nie erlebt!“

Heute erscheint die Opposition stärker und geschlossener als noch 1993, als die Armee demokratische Ansätze gewaltsam unterdrückte. Ein Mitglied von „Infostogo“, einer Organisation der togoischen Diaspora in Deutschland, ist jedoch skeptisch, ob die Opposition über die Mittel verfügt, das Land aus der Krise zu führen. Die Mehrheit der Militärangehörigen stammt aus dem Norden des Landes, in dem der Großteil der Bevölkerung dem Regime des verstorbenen Diktators Eydéma nahe steht.

Die togoische Liga für Menschenrechte ruft Regierung, Opposition, Armee und Zivilgesellschaft zu einem runden Tisch auf. Aber ohne eine ernsthafte, breite internationale Unterstützung scheint sich keine baldige Lösung abzuzeichnen. Europa hält sich mit klaren Aussagen zu Ablauf und Ergebnis der Wahlen und zu den andauernden Unruhen zurück. Im Moment schenkt die Presse zwar den Geschehnissen noch gesteigerte Aufmerksamkeit. Doch das kann schon bald vorbei sein.

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