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Archiv-Artikel

Moses, Münte, Buttercreme

Dokumente zum Stand der Kapitalismuskritik durch einen SPD-Vorsitzenden

Schickte Moses Münte den Heuschreckenhundt über das Land des Pharao?

Am vergangenen Sonntag, dem 1. Mai, predigte der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering von der Kanzel der evangelischen Bonner Kreuzkirchengemeinde. Müntefering nutzte auch diese Gelegenheit, um seine Kritik an den Auswüchsen des herrschenden Kapitalismus zu vertiefen. Unter dem Titel „Die Barmherzigen und die Gerechtigkeit“ bezog sich der südwestfälische Katholik noch einmal ausdrücklich auf die bereits zuvor von ihm gleichnishaft in die Debatte geworfenen „Verheerungen“, hier insbesondere auf die in den Büchern Mose beschriebene achte der „zehn Plagen“, also den „Heuschreckenschwarm“, den Gott über Ägypten schickte, weil der Pharao das hebräische Volk nicht ziehen lassen wollte. Im Anschluss an Münteferings Predigt fand im Versammlungsraum der Frauenhilfe der Kreuzkirchengemeinde eine Diskussion statt, an der neben Müntefering noch folgende Personen teilnahmen: Prof. Dr. Otto Groppinger, erem. Prof. für Philosophie, lehrte dialektischen und historischen Materialismus an der Karl-Marx-Universität Leipzig; Hilde Salenfeld, Vorsitzende der Frauenhilfe der Kreuzkirchengemeinde und Hausfrau; Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände; und Heinz Willisch, Hartz-IV-Betroffener und Teilzeittaxifahrer. Moderiert wurde das Gespräch von Gemeindepfarrer Götz Kratzenstein, der uns freundlicherweise das Gesprächsprotokoll zur Verfügung stellte.

Kratzenstein: Herr Müntefering, das waren ja harte Worte, die Sie auch heute auf der Kanzel gefunden haben. Aber wie ich immer sage: Das alte Testament kennt keine Verwandten.

Müntefering: Jasicha. 2. Buch Münte, nee Mose, 8, 16-20: „Wirtschaft ist für die Menschen da!“, nee, warte mal, so rum: „Und der HERR sprach zu Münte: Mach dich morgen früh auf die Socken, tritt vor den Hundt, den alten Sauhund, und sag ihm ein für alle Mal: So spricht der HERR: Lass die Völker zur Arbeit ziehen, damit sie was verdienen und sich Sachen kaufen können!“

Hundt: Ich finde das zum Kotzen, was derzeit in dieser Republik abläuft. Zum Kotzen!

Müntefering: Ja, kotz du ruhig. Auf deinen Kotzhaufen gehen die Fliegen drauf.

Hundt: Wie bitte?

Müntefering: Fliegen! Stechfliegen! Mücken! 4. Plage! 2. Buch Münte: „Und der HERR sprach: Wenn du die Völker nicht zur Arbeit ziehen lässt, so werd ich die Stechfliegen ziehen lassen über dich und deinen stinkenden Kotzhaufen. Und dein Kapitalistenhaus wird bis oben hin voll sein mit Stechfliegen.“

Willisch: Ihr quatscht doch nur. Ihr tut ja nix. Wird Zeit, datt andere Seiten aufgezogen werden. Datt mal einer kommt, der Ordnung schafft!

Kratzenstein: Und an wen dachten Sie da so?

Willisch: Schade, datt der schon tot ist!

Frau Salenfeld: Oh – ein Sterbefall? Ich könnte Streuselkuchen backen.

Kratzenstein: Später, gute Frau. Professor Groppinger, was sagen Sie denn zu der marxistisch-theologischen Kapitalismuskritik des Herrn Müntefering.

Groppinger: Da bleibt die Bibel natürlich unkonkret. Sie kannte natürlich noch nicht die wirkliche Akkumulation des Kapitals. Heute wissen wir: Neben der wirklichen Akkumulation oder Verwandlung des Mehrwertes in produktives Kapital läuft natürlich Geldakkumulation, Zusammenscharren eines Teils des Mehrwerts als latentes Geldkapital, das erst später, sobald es gewissen Umfang erreicht, als zuschüssiges aktives Kapital fungieren soll.

Münte: Moses?

Groppinger: Marx, natürlich.

Willisch: Schade, dass der schon tot ist.

Kratzenstein: Herr Willisch, Der ist auch tot, aber den meinen sie jetzt nicht.

Frau Salenfeld: Oder vielleicht Mohnkuchen?

Hundt: Zum Kotzen!!!

Frau Salenfeld: Gott, wie unhöflich der Mann ist.

Müntefering: Ja, so isser, der Kapitalist. Aber dich kriegen wir auch noch, Hundt. Dich mach ich zum Frosch.

Kratzenstein: Jetzt meinen Sie die 2. Plage, die Frösche.

Müntefering: Und der HERR sprach zu Münte: Strecke deine Hand aus und lass die Frösche über das Land kommen. Auf Deutsch: Krötenwanderung.

Kratzenstein: Und dann?

Müntefering: Stolpe Bescheid sagen. Krötentunnel abbauen. Und dann immer mit dem Auto drüber. Problem erledigt.

Willisch: Für die Frösche tut ihr alles – aber der kleine Mann kuckt in die Röhre. Wird Zeit, datt mal einer kommt, der …

Kratzenstein: Der ist tooohooot!

Frau Salenfeld: Spritzgebäck?

Hundt: Ich könnt’ kotzen!!!

Frau Salenfeld: Sie machen mir Angst.

Groppinger: Alle typischen Merkmale des Kapitalismus erzeugen natürlich Angst. Der entscheidende Widerspruch des kapitalistischen Wirtschaftssystems, in dem sich alle übrigen Widersprüche zusammenfassen lassen, ist der zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privaten Form der Aneignung.

Salenfeld: Aha.

Kratzenstein: Was ich an Ihrem Gleichnis noch nicht begreife, Herr Müntefering. Wenn Sie Moses sind und Herr Hundt ist der Anführer der Heuschrecken. Dann tragen doch eigentlich Sie die Schuld.

Müntefering: Dummes Zeug. Wieso?

Kratzenstein: Weil Sie ihn dann geschickt haben. Moses Münte war ja nur Werkzeug des Herrn. Er schickte die Plage, also den Heuschreckenhundt über das Land des Pharao. Wer ist denn jetzt eigentlich der Pharao und warum haben Sie Herrn Hundt gegen ihn eingesetzt?

Münte: Zu kompliziert, die Frage. Versteht kein Mensch. Ich mach Realpolitik.

Willisch: Der, den ich da mein’, seit wann ist der denn tot?

Frau Salenfeld: Wie wär’s denn mit Buttercremetorte?

Alle anderen: Au ja!!!

AUFGEZEICHNET VON

FRITZ ECKENGA