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Archiv-Artikel

Dänemarks Lynndie England

Eine 37-jährige Frau steht seit gestern im Saal 36 des Amtsgerichts in Kopenhagen vor Gericht. Die Offizierin der Reserve Annemette Hommel. Sie personifiziert den größten militärischen Skandal im Dänemark der Nachkriegszeit. Es geht um Foltervorwürfe im Camp der dänischen Besatzungstruppe im Südirak zwischen März und Juni letzten Jahres.

Die Art, wie unter ihrer Leitung Iraker verhört wurden, brachte Hommel als „Dänemarks Lynndie England“ in die Schlagzeilen. Sie soll Methoden angewandt haben, die der Genfer Konvention zur Behandlung ziviler Gefangener fundamental widersprechen. Um „Aussagewiderstand zu brechen“ wurden laut Anklage die Verhörten in „schmerzhaften und unbequemen Stellungen“ gehalten, man habe sie geschlagen, ihnen Wasser vorenthalten und gehindert, ihre Notdurft zu verrichten. Die burschikose Frau mit den kurzen Haaren und der ovalen Brille soll sie mit Ausdrücken wie „Schweinsköpfe“ und „Hundescheiße“ beschimpft, als „Männer ohne Hoden“ beleidigt und gesagt haben: „Das Beste wäre, man würde euch gleich totschlagen“.

„Da herrscht Krieg und da reicht es nicht, wenn wir mit Wasserpistolen ausgerüstet werden“, hatte Hommel ihren Einsatz gerechtfertigt. Sie fühlt sich als Sündenbock: „Das Verteidigungsministerium will mich opfern. Die haben Angst davor, dass mehr Missstände ans Licht kommen könnten.“

Tatsächlich wurde nach den Vorfällen im Irak bekannt, dass das dänische Militär regelmäßig Folterübungen trainierte, die in der Realität gegen die Genfer Konvention verstoßen würden. Geübt wurden genau die Methoden, die im Irak auch angewendet wurden. Doch weder die hierfür Verantwortlichen noch Hommels direkter Vorgesetzter, der umfassend über alle Verhöre informiert worden war, stehen vor Gericht. Entsprechende Ermittlungsverfahren ruhen in Erwartung der Erkenntnisse, die sich im Prozess gegen Hommel ergeben.

Sie, Staatswissenschaftlerin und seit 15 Jahren Offizierin, hatte sich im Januar 2004 als Verhörspezialistin freiwillig zum Dienst im Irak gemeldet. Das gerichtliche Nachspiel hängte man juristisch so tief wie möglich. Die Anklage wirft ihr „Pflichtverletzung“ nach einer Vorschrift des Militärstrafgesetzbuchs vor, die beispielsweise angewendet wird, wenn ein Soldat bei der Wache einschläft. REINHARD WOLFF