: Die Glotze kann SPD noch retten
Vor dem ersten Fernsehduell zur Landtagswahl am 22. Mai: Politologe Thorsten Faas über einen „konventionellen Wahlkampf“, die letzten Chancen der SPD und den „Laufenlasser“ Jürgen Rüttgers
INTERVIEW: MARTIN TEIGELER
taz: Vor dem ersten von zwei TV-Duellen liegt Rot-Grün klar hinter Schwarz-Gelb. Was muss Ministerpräsident Steinbrück in den Fernsehdebatten Spektakuläres machen, um den Vorsprung noch aufzuholen?Thorsten Faas: Mit allzu spektakulären Argumenten und Aktionen rechne ich eigentlich von keinem der beiden Kandidaten. Beide werden vor allem unter Beweis zu stellen versuchen, dass sie das Format haben, Ministerpräsident des größten deutschen Bundeslandes zu sein.
Wem könnte dies denn besser gelingen im TV?Steinbrück und die SPD haben einen Vorteil: In ihrem Wahlkampf spielt die Person Steinbrück eine viel größere Rolle als die Person Rüttgers im Wahlkampf der CDU. Und die TV-Duelle werden zu einer Personalisierung beitragen, die beiden Spitzenkandidaten also in den Vordergrund rücken.
Gab es bereits Fernsehdebatten, die Kandidaten geholfen haben, einen großen Vorsprung noch wettzumachen?Insgesamt ist das Format, in dem die TV-Duelle stattfinden, ja noch relativ neu in Deutschland, insofern fehlen noch gesicherte Erkenntnisse. Es gibt aber bereits deutliche Hinweise darauf, dass Fernsehduelle den Wahlausgang beeinflussen.
Wie denn?Vor der Wahl in Schleswig-Holstein etwa gab es ein TV-Duell, in dem CDU-Herausforderer Peter Harry Carstensen sehr souverän aufgetreten ist, während SPD-Amtsinhaberin Heide Simonis etwas unkonzentriert, teilweise sogar genervt wirkte. Das hat zweifelsohne dazu beigetragen, dass Carstensen an Format gewonnen und bei den Wählern gepunktet hat. Auch für die Bundestagswahl 2002 zeigen sich deutliche Effekte der TV-Duelle: Zunächst einmal, das zeigen unsere Studien, haben die Duelle mobilisiert, das heißt zu einer höheren Wahlbeteiligung geführt; zudem hat SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder damals insbesondere im zweiten Duell deutlich besser abgeschnitten als sein CSU-Gegenkandidat Edmund Stoiber. Beide Aspekte haben der SPD, die ja damals lange Zeit in Umfragen zurücklag, geholfen.
Welche Partei, welcher Kandidat macht derzeit in NRW den besseren Wahlkampf?Wir sehen bisher eigentlich einen konventionellen Landtagswahlkampf. Auffallend ist, wie massiv die bundespolitische Prominenz in NRW präsent ist. Verwunderlich ist das allerdings nicht, wenn man bedenkt, welche bundespolitische Bedeutung der Wahl zugeschrieben wird. Was die beiden Kandidaten betrifft, ist Steinbrück deutlich präsenter im Wahlkampf; Rüttgers scheint sich bewusst zurückzunehmen und den Wahlkampf, der ja bisher zu seinen Gunsten verläuft, ‚laufen zu lassen‘.
In beiden Parteilagern gibt es Leute, die sagen, die Wahl ist bereits gelaufen.Der Vorteil liegt derzeit klar bei CDU und FDP. Die große Unbekannte ist allerdings die Wahlbeteiligung. Es ist schwer vorauszusagen, wie gut es den Parteien gelingt, ihre Anhänger zu mobilisieren. Dies wird vor allem für die SPD wichtig sein – und hier könnte sich die so genannte Kapitalismuskritik ebenso wie die TV-Duelle noch günstig für die SPD auswirken. Im Fußball würde man sagen: Die Opposition liegt in Führung und versucht, die Führung zu verteidigen. Die SPD mobilisiert die letzten Kräfte, um das Spiel noch zu drehen, doch ihr läuft die Zeit weg.