: Einer flutscht durch
Weder als Niedersachsens Wirtschaftsminister noch als Unesco-Kommissionspräsident gerät Walter Hirche in Not
Die Sache mit Goslar wird Walter Hirche (FDP) nicht in Schwierigkeiten bringen. Auch nicht, wenn hier die Interessen seiner Ämter kollidieren: Der niedersächsische Wirtschaftsminister und stellvertretende Landesvater ist nebenbei noch Chef der niedersächsischen Liberalen. Außerdem ist er seit 2002 Präsident der Deutschen Unesco-Kommission (DUK). Aber keine Angst: „Hirche“, teilt der stellvertretende DUK-Generalsekretär Dieter Offenhäußer mit, „ist in der Lage, das eine mit dem anderen nicht zu vermischen.“ Was aber wenn es gerade darauf ankäme?
Im Normalfall ist Unesco-Kommissionspräsident auch ein stiller Job. Ab und an gilt es, beim Shakehands fotogen zu lächeln, was bei Hirche immer ein bisschen krampfig wirkt. Eher scheinen die abwärts weisenden Mundwinkel zu seinem Gesicht zu gehören, Symbol eines freudlos-protestantischen Arbeitsethos, dem Unredliches nicht zugetraut wird: Skandale, in denen der Name Hirche fiel, gab es zwar. An ihm haften geblieben ist nichts. Bestens passen die Mundwinkel auch, wenn man Sorge über Kriegsschäden und Kunstraub in Bagdad ausdrückt oder die Kölner Stadtplanung rügt, die den dortigen Dom auf die rote Liste des bedrohten Welterbes hat rutschen lassen.
Ob Hirche Ähnliches bald auch über Goslar sagen muss? Nein, das glaube er nicht, sagt er: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir dort einen Weg finden werden.“ In Goslars Altstadt nämlich soll eine Passage zur Shopping-Mall ausgebaut und dafür eine der ältesten Gassen planiert werden – was schlecht zu den Welterbe-Richtlinien passt. Und das wäre dann eine eher unangenehme Schlagzeile. Denn dann würde der Präsident der Deutschen Unesco-Kommission Walter Hirche den niedersächsischen Wirtschaftsminister Walter Hirche düpieren, dessen Haus gerade an einem „touristischen Masterplan Harz“ tüftelt. Außerdem sitzen die stärksten Unterstützer der so genannten „Kaisergalerie“ in Goslars liberaler Fraktion, die sich damit ganz auf Landeslinie bewegt: Regionale Strukturpolitik ist ein Pfeiler von Hirches ministerieller Agenda, FDP-Klientelpflege – vulgo: Mittelstandsförderung – ein anderer. Und der Bauherr, der den imperialen Klotz samt Parkdeck und Brücken zum Nachbarkaufhaus in die Altstadt wuchten wollte, ist Mittelständler, noch dazu ein Einheimischer. Infolge eines verspäteten Reflexionsprozesses der Stadtführung hat der zunächst den Parkdeck-Plan aufgegeben und dann das ganze Projekt. Übernommen hat ein anderer Mittelständler – aber einer aus Hessen.
„Natürlich“, sagt der Wirtschaftsminister und Unesco-Kommissionspräsident Hirche, „gibt es da einen Konflikt.“ Und „oft“ seien „die Leute erstmal überrascht“ über seine Doppelfunktion. Aber die sei eben auch ein Vorteil, weil „die Spezialisierung von Interessen leicht zu einem Mangel an Kompromissbereitschaft“ führe. Werten kann man das als einen Aufruf, sich zu einigen. Schließlich will sich Walter Hirche nicht in Bedrängnis bringen lassen – auch nicht in der engen Altstadt Goslars. bes