: Frau Brose kleidet ein
Die Hamburger CDU erklärt einheitliche Schulkleidung zum Politik-Ziel. Der Einheitslook soll ein „Wir-Gefühl“ förden und damit das Schulklima verbessern. Wissenschaftler zeigen sich da skeptisch
von Kaija Kutter
Bereits seit dem Jahr 2000 kleidet Lehrerin Karin Brose sukzessive immer mehr Schüler ihrer Haupt- und Realschule in Hamburg-Sinsdorf ein. Heute seien es schon 340, berichtete sie gestern im Hamburger Rathaus. Sie habe „30 verschiedene Kleidungsstücke in weiß und blau“ im Angebot, auch für Vollschlanke und Dünne sei etwas dabei. Im Schlepptau hatte sie Schülerin Aydin Gülistan, die sich fotografieren ließ. Gekleidet in eine blauen Trainingsjacke mit weißen Streifen an den Ärmeln, wie sie zur Zeit Mode ist.
Frau Brose will nicht von einer „Uniform“ sprechen. Es sei „Arbeitskleidung für die Schule“. Ihre Kinder seien dabei „Trendsetter“ und „Tester“ und dürften immer mitentscheiden, was gekauft wird.
Nun ist über das, was Frau Brose macht, bundesweit schon viel geschrieben worden. Es sei auch „rechtlich zulässig“, wie der Rot-Grüne Senat dem CDU-Politiker Klaus-Peter Hesse bereits vor vier Jahren bestätigte. Doch mehr ist bisher nicht passiert. Das soll jetzt anders werden. „Die Hamburger CDU will die Einführung von einheitlicher Schulkleidung politisch vorantreiben“, erklärte der CDU-Politiker nun und stellte einen Antrag vor, der die Hamburger Bildungsbehörde auffordert, sie möge dafür mit einer Broschüre werben und Schulen und Klassen, die sich dafür entschieden, „mit Rat und logistischer Hilfe“ unterstützen. Hesse: „Bisher hängt das alles sehr vom persönlichen Engagement von Frau Brose ab.“ Und schließlich soll die Behörde fürs Schuljahr 2006 gezielt an Grundschulen dafür werben, den Einheitslook zum „Schulprofil“ zu machen. „Die Kleinen“, so Hesse, würden sich im Unterschied zu den Großen nicht so sehr dagegen sträuben.
Warum die CDU die Kleidung nicht gleich stadtweit verordne, wurde von enttäuschten Journalisten gefragt. Woraufhin Brose ans Grundgesetz erinnerte. „Zwang ist nicht möglich“, sagte sie. Stattdessen würde sie „überzeugen“. Kinder mit „mehr zwischen den Ohren“ sprängen aber sehr viel schneller auf ihr Angebot an. „Probleme“ habe sie mit manchen Hauptschülern und „ethnisch anderen Kindern“. Weil diese an Markenkleidung als Kostümierung festhielten, „um hier wer zu werden“.
Dass der Weg zum Einheitslook aber dennoch der Heilsbringende ist, meinen Hesse und Brose mit einer Studie der Uni Gießen belegen zu können. Diese hatte 2004 zwei fünfte, eine siebte und eine achte Sinsdorfer Klasse mit 87 Schülern einer anderen Schule verglichen und kam zu dem Ergebnis, dass in der siebten und achten Klasse ein „besseres Sozialklima“ herrsche. Allerdings warnt der Leiter der Studie, Oliver Dickhäuser: Die Untersuchung zeige „nicht eindeutig“, dass die Schulkleidung diesen Unterschied bewirkt.
„Diese Studie basiert nur auf zwei Klassen und ist nicht repräsentativ“, mahnt auch der Erziehungswissenschaftler Peter Struck der Uni Hamburg. Möge es noch angehen, dass eine einzelne Klasse sich ein T-Shirt anschaffe, um das „Wir-Gefühl“ zu erhöhen, so wäre der flächendeckende Einheitslook für Struck „schrecklich, weil man sich dann damit nicht mehr mit einer einzelnen Schule identifiziert“.
Frage man Schüler, so Struck, lehnten diese Uniformen mehrheitlich ab. Erwachsene hingegen seien „mehrheitlich dafür“. Struck warnt vor einer „Überregulierung vom Staat her“. Das nächste wäre, dass man den Kids auch noch die Frisuren vorschriebe. Die Politik setze hier auf Äußerlickeiten, statt die Schüler „im Inneren“ zu stärken. Selbst das ebenfalls als Begründung angeführte „Abziehen“ von Jacken sei ein Thema der 90er Jahre und nicht mehr der heutigen Jugend.