: Punkrocker zu Oberbürgermeistern
In Salzgitter setzt die CDU auf Sachverstand und lässt sich beim Wahlkampf von einem Punkrocker helfen. Nullbock-Musiker André Mühl ist bereit, Verantwortung zu übernehmen
Dass der derzeitige Oberbürgermeister von Salzgitter, Helmut Knebel, von der SPD ist, kann der dortigen CDU natürlich nicht gefallen. Deswegen soll das auch anders werden. Spätestens im Herbst 2006, bei der nächsten Kommunal- und Oberbürgermeisterwahl. Entscheidende Argumente für den Wahlkampf soll eine Kommission liefern, die jetzt im April von der CDU eingesetzt wurde. „Großen Wert“ wollen die Christdemokraten dabei „für die Erarbeitung ihres Programms auf externen Sach- und Fachverstand“ legen. Das Parteibuch war also bei der Auswahl der Beraterrunde keineswegs Pflicht, und das will André Mühl auch gar nicht haben. Parteilich ist der Mittzwanziger ungebunden, er ist Lehramtskandidat und nicht zuletzt Bassist der Punkrockband Nullbock (www.nullbock.org) aus Salzgitter.
taz: Herr Mühl, Sie wurden in eine Kommission von Salzgitteranern berufen, die die CDU für die Kommunal- und Oberbürgermeisterwahl 2006 beraten soll. Ist damit Punk in der Mitte der Gesellschaft angekommen?
André Mühl: Es ist eher die CDU in die Mitte gerückt. In Salzgitter. Nicht unbedingt auf Bundesebene. Aber ansonsten hat Punk nichts mit der CDU zu tun. Das muss man schon klar trennen.
In dem Song „Politik, Sex & Geld“ ihrer Band Nullbock heißt es: „Wir machen nur, was uns gefällt, scheißen auf die ganze Welt.“ Wieviel Nullbock-Mentalität braucht die Politik?
Die Politik bräuchte schon ein wenig mehr davon. Natürlich nicht zu viel. Aber man müsste einfach mal auf die alten Klischees verzichten. Was im Grunde auch das Problem bei den anderen Parteien ist: dass hier in Salzgitter immer gemunkelt wird, natürlich immer hinter verschlossener Tür, man müsse schon 45 sein, um in irgendeinen Rat reinzukommen. Das müsste auf jeden Fall aufgebrochen werden. Und auch sonst die altbackenen Geschichten.
Was für Klischees?
Dass zum Beispiel Leute mit Iros und Piercings oder Tätowierte meistens arbeitslos sind und keine Lehrstelle finden. Ich kenne hier die meisten ja, und die machen alle ihr Abi oder studieren. Das passt natürlich nicht mehr in das alte Punkklischee.
Aufgabe der Kommission soll auch sein, ein Wahlprogramm vorzuschlagen. Was muss da unbedingt rein?
Ich bin natürlich immer für den kulturellen Bereich. Es gibt hier so ein paar Strippen, die immer wieder in die gleiche Ecke laufen. Es sind so drei bis fünf Leute, habe ich das Gefühl, bei denen alles zusammenläuft, und es passiert hier nicht wirklich viel und immer das Gleiche. Es wird so eine Cliquenwirtschaft betrieben. Das ist mein Bereich, den ich aufbrechen möchte. Dann der soziale Bereich, Sicherheit, die Prävention an Schulen muss noch stärker gefördert werden. Ansonsten wird Wirtschaft im Wahlprogramm Thema Nummer eins sein. Wobei der Finanzvorstand der Salzgitter AG, der mit in der Kommission sitzt, da wohl mehr Durchblick hat.
Wird es in der Kommission ein Hauen und Stechen geben?
Nein, das glaub ich nicht. Es sind zum größten Teil ja Parteilose mit dabei, und es sollen wirklich nur Ideen gesammelt werden, wie Salzgitter vorangetrieben werden kann. Mir geht‘s auch nicht darum, dass das jetzt die CDU ist. Ich hätte es genauso mit der SPD gemacht oder mit den Grünen vor allen Dingen. Weil sowas aber bei denen nicht stattfindet, bin ich nun bei der CDU gelandet.
Für einen Punkrocker könnte es doch eine zweifelhafte Ehre sein, von der CDU berufen zu werden. Hatten Sie nicht den Impuls, die Finger davon zu lassen?
Richtig. Ich habe da schon arge Diskussionen führen müssen. Ich habe da auch lange mit mir gekämpft. Aber dann habe ich noch einmal richtig nachgefragt, um was es genau gehen soll, und dass die auch nicht zu viel mit meinem Namen werben. Ich hoffe, dass das nicht so zum Stimmenfang sein soll, auch wenn das natürlich ein bisschen darauf hinauslaufen wird. Zuerst wollte ich es nicht machen. Aber dann fand ich die Sache doch interessant. Auch um mitzubekommen, wie so was überhaupt entsteht. Und dann noch was für die Stadt zu machen, in der ich aufgewachsen bin, finde ich sowieso interessant. Außerdem war ich ja selbst mal Oberbürgermeisterkandidat hier, 2001. Als Parteiloser. Mit über zwei Prozent hab ich sogar die Kandidaten der Grünen und PDS geschlagen. Hat Spaß gemacht.
Kann man sich einen praktizierenden Punkrocker als Oberbürgermeister für Salzgitter vorstellen?
Ich würd‘s mir wünschen, wenn ich‘s werden würde. Aber noch würde meine Qualifikation nicht ausreichen, denk‘ ich mir. Ansonsten: Immer. Mich natürlich immer. INTERVIEW: THOMAS MAUCH