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Archiv-Artikel

Amputierende Ambulantisierung

Um Kosten zu sparen, will die Sozialbehörde die Behindertenhilfe umstrukturieren: Weniger Geld für die stationäre Betreuung, etwas mehr für den ambulanten Dienst

„Die Benachteiligung behinderter Menschen beseitigen.“ So steht es zumindest in der Zielsetzung des Ende März in Kraft getretenen hamburgischen Gleichstellungsgesetzes. Die Pläne von Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU), aus Gründen der Kosteneinsparung innerhalb kurzer Zeit die Anzahl stationär betreuter Menschen zu reduzieren und gleichzeitig eine Steigerung im Bereich der ambulanten Hilfe herbeizuführen, bewirken laut Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen (LAG) jedoch genau das Gegenteil.

Der Haushalt der Behörde für Soziales und Familie sieht 2005 und 2006 bei der stationären Betreuung eine Kürzung um zwölf Millionen Euro vor, während sich die Förderung ambulanter Maßnahmen um gerade mal drei Millionen Euro erhöhen soll.

„Im Prinzip begrüße ich ja die Ambulantisierung“, sagt Gerlef Gleiss von „autonom leben e. V.“, „doch muss aufgepasst werden, dass dabei nicht die Menschen auf der Strecke bleiben, die bereits ambulante Hilfe beziehen.“ Martin Eckert, Vorstand der LAG, mahnt, dass es bei der Umstellung der Behindertenhilfe nicht stur um Einsparungen gehen dürfe. „Wir drängen darauf, dass das Wahlrecht der betroffenen Personen bewahrt bleibt“, betont Eckert. Doris Haake von der Selbsthilfegruppe „People First“ merkt an, dass die Förderung stationärer Wohngruppen unentbehrlich sei, um behinderte Menschen dort optimal auf ein Leben in einem ambulanten Betreuungsverhältnis vorzubereiten.

Anlässlich des morgen stattfindenden „Europäischen Aktionstages für die Gleichstellung und gegen die Diskriminierung behinderter Menschen“ lädt die LAG heute von 17 bis 20 Uhr zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Ambulantisierung in die Katholische Akademie, Herrengraben 4. Hier wird unter anderem die Expertin Boel Ballke über die Situation in Schweden berichten, wo Behindertenheime fast vollständig abgeschafft worden sind.

Am Aktionstag selbst kommt es zum „Sturm auf das Bezirksamt“ in Mitte: Aus Protest gegen die sich immer wieder verzögernde Errichtung von Rollstuhlrampen im Schanzenviertel bauen Selbsthilfeaktivisten um 11 Uhr vor den Deichtorhallen eine symbolische Rampe auf.Sebastian Bertram