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Archiv-Artikel

„Weschdberlin war die Draumschdadd“

Cornelia Reinauer (PDS) ist seit 2002 Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Obwohl waschechte Schwäbin, kann sie außer Türkisch sogar Hochdeutsch. Ein taz-Gspräch in ihrer Heimatsprache über das Leben in der Diaspora

taz: Ja, Frau Reinauer, Sie schwätzed ja au schwäbisch; wo kommed Sie denn här?

Cornelia Reinauer: I komm aus Lautlinge, me kloine Dorf midde uf der schwäbische Alb.

Und was hod Sie aus em Ländle nach Berlin verschlage?

D’ Arbeid. I han in Schdugärd schdudierd, ’s Bibliothekswesen. War do au ganz polidisch akdiv im Aschda. Und i fand des au nadürlich ganz doll, no Berlin zu ziehe. Und dadsächlich had’s in Berlin freie Schdelle gebe, und da han i mi beworbe, und da hen die mi gnomme. Und so war i ganz glücklich, dass i net z Schdugärd bleibe musste oder ner andere langweilige Kleinschdadd in Baden-Württemberg. Weschdberlin war ja für uns junge linke Leud sowieso die Draumschdadd.

Ja hend Se im Ländle nix Gscheits glernt keht, dass Se so weit weg muschded von dohoim?

I find ja scho, dass i was Gscheits glernt ha. I find ja au, dass des Bibliothekswesen durchaus was Gscheits is. Aber leider gab’s im Ländle koine freie Schdelle. Und mir war des ganz recht, dass i dann dadsächlich in Weschdberlin glanded bin.

Und d’ Mauer, häd Ihne des nix ausgmacht? Hennt Se sich da ned eischperrd gfühlt?

Nee, oigendlich überhaupd ned. Flächemäßig isch ja die Schdadd ziemli groß. Mi hat ja immer faszinierd die viele Gschäfd und des bunde Dreibe. In Weschdberlin gab’s ja au viele Schpazierwäg, Seen und Wälder, wo man ja durchaus sei freie Zeid verbringe konnd, so dass i mi überhaupd ned eischperrd gfühlt hän.

Fehlt Ihne ned des guade Esse oder d’ Berg in Berlin?

’S guade Esse fählt mer ned, denn in Berlin gibt’s ja viele guade Küche. Ab und zu glüschded mis ja scho noch schwäbische Esse, dann mach i mer en Zwiebelroschtbrade oder Mauldasche. ’S oinzige, was mer fähld, sind dadsächlich d’ Berg und d’ frische schwäbische Lufd. Deswege flieg i ja ou meischdens zwoi- bis droimol im Johr ins Ländle, um Urlaub zu mache und auszuschpanne. Und alde Froind und d’ Familie zu besuche.

Und was mached Se jetzd so der ganze Dag in Berlin?

I bin ja Bürgermeischderin von Friedrichshain-Kreuzberg. Des heißt, i bin der Dag über zum Deil in meiner Verwaldung. Oder au auf Besprechunge auf der Senadsebene. Vor allem bin i aber au ganz viel in maim Bezirk underwegs, weil mi des nadürlich scho interessierd, wie sich der Bezirk entwickeld, wie’s aussiehd. Wie sehed unsere Schdroasse aus, wie sehed unsere Parks aus? Und außerdem find i des ja immer wichtig, dass i mit de Leud ins Gschpräch komm. I besuch au oft Gschäfdsleud oder au Vereine. I will scho au wisse, wie die Leud so denked, und des isch scho ziemlich zeitufreibend.

Und so hän Se quasi koi Hoimweh nach Dohoim?

Nee, überhaubd nedd!

GSPRÄCH: CHRISTOPH VILLINGER