: Neue Fußball-Ökonomie
Kommerz gegen Fußball: taz nrw vor Ort
War es wirklich besser in den Fußball-Stadien, vor dem Kommerz, als man sich in den 80ern gegenseitig „auf die Murmel gehauen hat“? Es war schon „spannend“, sagt Reinhard Beck von der neu gegründeten Fan-Abteilung von Borussia Dortmund. Aber mittlerweile sei er froh, dass er mit der gesamten Familie ins Stadion gehen kann. Auch eine Folge der medien- und familiengerechten Kommerzialisierung des Fußballs. „Flasche leer? macht Fußball dumm, arm und Spaß?“, hieß die sechste Diskussionsveranstaltung der Reihe „taz nrw vor Ort“ – diesmal im Dortmunder Dietrich-Keuning Haus.
Dortmund, der BVB. Nirgendwo ist das Doppelbödige der Kommerzialisierung so deutlich sichtbar, wie hier: Der sportliche und wirtschaftliche Aufstieg in den 90ern, der Börsengang zur Jahrtausendwende, die Fast-Insolvenz vor wenigen Wochen. Befinden wir uns in der „New-Football-Economy“, fragt Moderator und taz nrw-Redaktionsleiter Christoph Schurian.
„Schalke ist nicht viel anders als Dortmund“, sagt Yves Eigenrauch, ehemaliger Schalke-Kicker, und mittlerweile eher künstlerisch-graphisch unterwegs. Finanziell bewegen sich die Gelsenkirchener auf ähnlich dünnem Eis. „Besser ist es als Spieler nicht zu viel davon zu wissen“, sagt Eigenrauch. Damals, als er noch spielte, war es ja auch noch eine Nummer kleiner. Jetzt mit der neuen Arena, deren Geschäftsführer Eigenrauch mal war... „Ich hab mir damals schon lieber die Spiele der zweiten Mannschaft angeschaut“ – dritte Liga, gegen Wattenscheid in der Glückauf-Kampfbahn, wo man noch nass wird an der Bude, rechts die Bratwurst, links das Bier – das sei „authentisch“. Mittlerweile im Vorfeld der WM, in den neuen Palästen gehe das Fan-Gefühl immer mehr verloren. „Der VfL Bochum, mit dem Ruhrstadion, Fußball pur“, so Eigenrauch. Aber die Bochumer müssen wieder runter, in die zweite Liga. Konnten die Spieler dem Druck der Medien, der Öffentlichkeit nicht stand halten?
„Auf dem Platz bekommst du das kaum mit“, sagt Yves Eigenrauch. Die Konzentration gilt den 90 Minuten. Der Spaß geht darüber verloren. „Ich habe immer lieber trainiert, als gespielt“, so Eigenrauch. „Vielleicht liegt es daran, dass er immer Abwehrspieler war“, wirft Otto Addo, BVB-Spieler im Wartestand, ein. „Als Angreifer muss du nicht immer alles zerstören.“ Trotz des großen Geldes sei der Spaß am Spiel nicht verloren gegangen. Auch nicht im Hinblick auf die WM 2006. Der gebürtige Hamburger will mit Ghana in Deutschland auflaufen. „Für meine Heimat in meiner Heimat.“ Vor einem Millionenpublikum, das auch mehrere Millionen Euro dafür ausgeben wird. Johannes Stender, vom Bündnis aktiver Fußballfans, hat schlimmste Befürchtungen. „Die WM wird die Fußballkultur nachhaltig verändern.“ Kollateralschäden: Stadien als Hochsicherheitstrakte, ausgestattet mit teuren Sitzschalen, familiengerecht. Dann vielleicht doch wieder auf die „Murmel“ hauen. HOP