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Archiv-Artikel

König unter den Blinden

Eloquent, aber profillos: Der niedersächsische Youngster Philipp Rösler rückt ins Präsidium der Bundes-FDP auf

Natürlich sei Guido Westerwelle unangefochten die Nummer 1 in der FDP, betont Philipp Rösler öffentlich und ungefragt. Sobald die Kameras ausgeschaltet sind und die Kulis weggelegt werden müssen, redet der Fraktionschef der niedersächsischen Liberalen jedoch anders über seinen Chef. Und ab sofort wird sich Rösler öfter am Parteivorsitzenden reiben können: Gestern wurde der erst 32-Jährige auf dem Bundesparteitag der Liberalen in Köln als Nachfolger des schleswig-holsteinischen FDP-Landeschefs Jürgen Koppelin in das Präsidium der Bundespartei gewählt.

Sogar als Generalsekretär der siechen FDP war Rösler gehandelt worden – doch dafür war er Westerwelle dann doch zu jung. Rösler ist eloquent, symphatisch, ehrgeizig und hat die Zukunft in der Partei ohne Köpfe und Überzeugungen wohl noch vor sich. Unter den Blinden ist der Einäugige König. Das weiß der Augenarzt, der bis zur Landtagswahl 2003 bei der Bundeswehr in Hannover diente. Nur sein Jüngelchen-Image muss er noch abstreifen: Dafür steht im Büro ein Pult, an dem er für die Redeschlachten im Landtag übt.

Ein echtes eigenes Profil hat Rösler noch nicht entwickelt, aus dem Baukasten liberaler Programmatik bedient er sich jedoch ohne Mühe: Natürlich ist er für die Privatisierung von Kindergärten und Knästen, für Studiengebühren und die weitere Lockerung der Ladenöffnungszeiten. Allerdings hat die FDP in der Koalition mit den Schwarzen nicht viel zu melden.

In der CDU-Fraktion belächeln viele den „Chinesen“ – dabei wurde Rösler in Vietnam geboren und noch als Baby adoptiert. Natürlich will sich die FDP wieder als Bürgerrechtspartei profilieren, das äußerte sich auch gestern in Köln mit einem Leitantrag zur Innen- und Rechtspolitik. Dagegen steht in Niedersachsen die CDU. In der Kopftuchdebatte oder bei der Härtefallkommission musste Rösler einknicken, beim Koalitionsstreit um die Bürgerstreife zeigte sich sogar, dass er seine 15-köpfige Fraktion nicht im Griff hat.

Immer wieder sagt Rösler, die Liberalen müssten ihr Profil schärfen. Oft trete die Partei rechthaberisch auf und habe ihren Halt im Bürgertum verloren. Eine neue Wählerschicht hat er auch schon gefunden: Die FDP müsse in den Städten „in den Häuserkampf mit den Grünen gehen“, sagte Rösler unlängst – auch wenn er sich mittlerweile für den Neubau von Atomkraftwerken ausgesprochen hat.

Kai Schöneberg