: Bremen als umstrittener Vorreiter
Psychiatrie-Erfahrene warnen vor Gesetz, dessen Entwurf den Senat schon passiert hat
bremen taz ■ Psychiatrie-Erfahrene protestieren gegen Pläne des Bremer Senats, wonach psychisch Kranke gegen ihren Willen – etwa mit Medikamenten oder Spritzen – ambulant behandelt werden könnten. Bislang war ein solcher zwangsweiser Eingriff nur nach einer Einweisung in eine Klinik bei stationärem Aufenthalt möglich. Das könnte anders werden, wenn ein Gesetzentwurf, der diese Woche den Senat passierte, „als Landesgesetz im Eilverfahren bis Ende Mai durchgepeitscht“ werde, warnt Hannelore Klafki vom Bundesverband Psychiatrieerfahrener in Berlin.
Mit einer Zustimmung der Bürgerschaft würde Bremen eine unselige Pionierposition einnehmen, kritisiert Klafki. Der Schritt sei zudem höchst umstritten, da eine ambulante Zwangsbehandlung erst im Sommer 2004 auf Bundesebene fraktionsübergreifend abgelehnt wurde, als sie im Zuge eines veränderten Betreuungsrechtes diskutiert worden war. Sie nun – wie in Bremen geplant – mit Überwachungsauflagen wie der Kontrolle von Post-, Telefon- oder Schriftverkehr als „mildere Form der Unterbringung“ zu ermöglichen, sei „perfide“. Die wehrlosen Kranken müssten sich auf „viel mehr Zwang und Gewalt“ gefasst machen, fürchtet der Verband der Psychiatrie-Erfahrenen: „Zunächst monatelange Psychiatrie-Aufenthalte, anschließend ein Rollkommando, das die Menschen über Jahre und Jahrzehnte zu Hause mit Psychopharmaka abspritzt.“ Das sei grundgesetzwidrige „vorbeugende Körperverletzung zur Abwehr von wahrscheinlich nie stattfindenden Straftaten“. ede