die taz vor zehn jahren: ralf sotscheck berichtet über den niedergang der britischen konservativen:
Sprachlosigkeit bei der Parteibasis, Sprechblasen beim Kabinett – das waren die Reaktionen der Tories auf die katastrophale Niederlage bei den Kommunalwahlen in England und Wales am Donnerstag. Die Konservativen haben in der britischen Kommunalpolitik praktisch ausgespielt, sie kamen auf 25 Prozent der Stimmen – gegenüber 48 Prozent der Labour Party. So schlecht hatten die Tories noch nie abgeschnitten.
Die meisten Tory-Abgeordneten und Bezirksräte hatten mit dem Verlust von tausend Sitzen gerechnet. Tatsächlich wurden es doppelt so viele. Die Regierungspartei verlor die Kontrolle über 55 Rathäuser. Von den 346 Regierungsbezirken, in denen gewählt wurde, gewannen die Tories nur acht. Sie verloren Trafford, ihren einzigen Wahlkreis in einer Großstadt, sowie Monmouthshire, ihre letzte Bastion in Wales. Dort gewann die Unabhängigkeitsbewegung Plaid Cymru zum erstenmal die Mehrheit in einer Bezirksversammlung. Die Tatsache, daß man auf zwei Prozent mehr Stimmen als die Liberalen Demokraten kam, ist für die Regierung kein Trost: Die Liberalen sicherten sich damit eine Mehrheit in 43 Wahlkreisen.
Besonders beunruhigend für die Tories ist nicht nur, daß die Labour Party künftig in 151 Rathäusern regiert, sondern daß der Vormarsch auch nicht vor den einstigen Tory-Hochburgen im Südosten haltmachte. In Nuneaton zum Beispiel verlor der Tory-Kandidat John Wayne gegen Labours Robin Hood, wie Labour-Chef Tony Blair genüßlich anmerkte. Der Politikwissenschaftler Anthony King meinte, die Tories seien „nicht in ein Loch gefallen, sondern in einen riesigen Bombenkrater“. […]
Blair reklamierte das Wahlergebnis als Erfolg für seine Reformen, die „Labour wieder zu einer nationalen Partei des Mainstream“ gemacht hätten. Sein Stellvertreter John Prescott sagte, der nächste Premierminister werde keinesfalls John Major heißen – und der Tory-Führer vielleicht auch nicht mehr lange.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen