Ach der mit dem Tango

Da gibt es die aus der künstlerischen Champions League, die nun alle kennen. Die wirklichen big names. So Hausnummern wie Goethe, Grass oder momentan auch Lady Gaga, die man alle kennt, selbst wenn man von denen noch nie eine Zeile gelesen oder einen Ton gehört hat. Und dann sind da, das Phänomen andersherum gestrickt, die Künstlern, die gleichfalls recht allgemein bekannt sind mit einem Bild vielleicht oder einem Lied, das sich im kollektiven Gedächtnis festgefressen hat: Nur dass man dieses Bild oder das Lied eben nicht mehr unbedingt einem Namen zuordnen kann. Und so ein Ach-der-Künstler war schon auch Hazy Osterwald, der am Sonntag verstorbene Schweizer Trompeter.

Und sein Lied war natürlich der „Kriminal-Tango“. Kennen alle. Das Lied, auf das sich die ganze Karriere Osterwalds aus einer gegenwärtigen Perspektive verknappt hat, so wie dereinst vielleicht mal selbst die Beatles auf ein einziges „Yesterday“ festgenagelt werden. Dabei soll Osterwald sogar mal in Paris mit Charlie Parker und Miles Davis gejammt haben. Und hat sich halt dann doch für den auch finanziell abgesicherten Erfolg entschieden mit seinem Sextett und einem mit Jazz-Fingerspitzen gespielten Unterhaltungstanzprogramm. Cha-Cha-Cha, Foxtrott, Tango. Was man so hören wollte in der Zeit und in Deutschland, Ende der Fünfziger. Später auch den Twist und andere Modetänze. Aber da waren sie bereits bestenfalls „die bess’ren ält’ren Herrn“, die sie mal selbst besungen hatten. Die dann ja in einer recht sorgsamen Entrümpelung aus dem Haus geräumt wurden von den Nachwachsenden, mit durchaus guten Gründen. Gar nicht zuletzt: die bessere Musik, die man jetzt hatte in den Sechzigern. Dieser deutlich konturierte Bruch mit der Geschichte, so, als hätte man mit dem, was die Eltern gehört haben und ihrem Wirtschaftswunderbiedermeier rein überhaupt nichts zu zun, wird durchaus bis heute gepflegt. Zum Beispiel auch in einem gerade erschienenen Buch (das heute um 20 Uhr im Grünen Salon mit Livemusik vorgestellt wird). In diesem „Lyrix – Lies mein Lied“ sind Aufsätze zu prägenden deutschen Liedtexten der letzten 50 Jahre gesammelt. Da schreibt auch Prominenz wie Klaus Theweleit dann über Lieder von Ton Steine Scherben, von Blumfeld oder Kraftwerk. Selbst der Osten wurde mal nicht einfach vergessen. Von City ist zu lesen und von Karat. Nur von einem „Kriminal-Tango“ und seinen Unterhaltungsmusikkonsorten liest man hier nichts.

Deswegen zur Erinnerung: „Kriminal-Tango in der Taverne / Dunkle Gestalten, rote Laterne / Abend für Abend immer das Gleiche / denn dieser Tango – geht nie vorbei.“ Es gibt schon auch Gründe, sich seinen Namen jetzt mal zu merken: Hazy Osterwald. THOMAS MAUCH