Finanzielle Zugausfälle

NAHVERKEHR Der Bund kürzt Zuschüsse an die Länder. Einschränkungen und höhere Fahrpreise drohen

Schüler kämen dann nicht mehr zur Schule, ältere Menschen nicht zum Arzt

Das Bundesfinanzministerium will die Gelder für den öffentlichen Nahverkehr einstreichen. Ab 2014 sollen die Zuschüsse für Busse und Bahnen um 15 Prozent jährlich gekürzt, ab 2020 soll der Geldhahn dann komplett zugedreht werden. Dadurch könnten bald die Fahrpreise steigen.

Den Kürzungen liegt ein Gesetz zugrunde, wonach die Finanzierung des Nahverkehrs allein von den Ländern übernommen werden soll. „Die Fahrpreise müssen wir zur Gegenfinanzierung zwangsläufig anziehen“, sagt Martin Grießner, Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Potsdam, der taz. Der gesamte kommunale Nahverkehr könne durch die Kürzungen in Mitleidenschaft gezogen werden oder sogar zusammenbrechen, da Schienennetze dann nicht erneuert oder alte Bahnen nicht ausgetauscht werden könnten, sagt Grießner.

Brandenburgs Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) befürchtet, dass es in den ländlichen Regionen zu drastischen Einschränkungen des Busverkehrs kommen würde. Schüler kämen dann nicht mehr zur Schule, ältere Menschen nicht zum Arzt, sagt Vogelsänger. „Viele Orte wären vom Netz einfach abgeschnitten, wenn die Grundfinanzierung des Bundes wegfällt. Wir müssen jetzt um jeden Cent kämpfen.“

Auch der Berliner Nahverkehr wird von den Kürzungen betroffen sein. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) gibt man sich jedoch noch gelassen. „Wir haben einen Vertrag mit dem Land Berlin. Die Investitionsmittel bleiben uns bis 2020 erhalten“, sagt BVG-Sprecher Klaus Wazlak.

Elke Krokowski vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg ist dagegen skeptisch: „Langfristig müssen die Fahrgäste Angebotseinschränkungen befürchten.“ Die Infrastruktur Berlins könne vielleicht noch kompensiert werden. Doch auf kleinere Städte kämen Schwierigkeiten zu.

Vonseiten des Bundesfinanzministeriums heißt es, dass alle Finanzierungen bis Ende 2013 bestehen bleiben. Danach soll weiter geprüft werden, in welcher Höhe die Beträge bis 2019 zur Aufgabenerfüllung der Länder „noch angemessen und erforderlich“ sind. Zusammen mit dem Bundesverkehrsministerium sollen Anschlusskonzepte für die Zeit ab 2020 erarbeitet werden. So lange will Werner Faber vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen nicht warten: „Wir gehen jetzt schon protestieren. Die betreffenden Verkehrsbetriebe müssen die geplanten Kürzungen schon jetzt in ihre Kalkulation aufnehmen.“

CHRISTIAN GEHRKE