: Vorfahrt achten für Bürgerrechte
Die FDP mit Informations- und Versammlungsfreiheit profilieren. Aber wirklich wichtig sind nur Arbeitsplätze
KÖLN taz ■ Die Liberalen wollen den Grünen Wähler abjagen. Als Mittel zum Zweck haben sie die Bürgerrechte wiederentdeckt. Als „Bürgerrechtsparteitag“ wurde die noch bis morgen laufende Veranstaltung in Köln schon apostrophiert, bevor das dem Bundespräsidenten Horst Köhler abgelauschte Parteitags-Motto „Arbeit hat Vorfahrt“ feststand.
Am Auftritt des Parteichefs Guido Westerwelle allerdings war gestern nicht zu erkennen, ob denn auch den Bürgerrechten ein wenig liberale Vorfahrt gewährt werden soll. Gemessen an Redetext und Redezeit nahmen die Aspekte Datenschutz und Versammlungsfreiheit vielleicht ein Zwanzigstel ein. Davon war wiederum die Hälfte dem seit April teilweise aufgehobenen Bankgeheimnis gewidmet. Allein dieses rot-grüne Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit versprach Westerwelle nach einem Regierungsantritt wieder rückgängig zu machen.
Zur Einschränkung des Versammlungsrechts, mit der eine rot-grün-schwarze Bundestagsmehrheit das Abbilden von Neonazis rings um Brandenburger Tor und Holocaust-Mahnmal am 8. Mai verhindern wollte, sagte der FDP-Chef: „Ich glaube nicht, dass man den Radikalismus dadurch bekämpfen kann, dass man die Versammlungsfreiheit für alle Bürger einschränkt.“ Der Leitantrag des Parteivorstands zur Innen- und Rechtspolitik soll heute verabschiedet werden. Die Verwendung des „genetischen Fingerabdrucks“, also der DNA-Analyse zur Strafverfolgung „darf nicht zur Standardmaßnahme werden“, heißt es darin. Die FDP kritisiert außerdem, dass biometrische Daten ohne Federlesens in Ausweispapiere aufgenommen werden sollen, obwohl der Bundestag nach dem 11. September 2001 hierfür enge Regeln formuliert hatte. Die Zunahme der Telefonüberwachung, die staatliche wie die private Videoüberwachung und auch die Schleierfahndung werden skeptisch gewürdigt. Das Informationsfreiheitsgesetz zur Akteneinsicht für Bürger wird angemahnt.
Ob die Liberalen mit ihrem Forderungskatalog bürgerrechtlich an den Grünen vorbeiziehen, wird sich an der Energie messen lassen, mit der die einen wie die anderen zum Beispiel die detailreichen Datenschutzprobleme öffentlich erörtern. Die Kampfansage formulierte Westerwelle gestern so: „Närrisch sind diejenigen, die meinen, die Grünen seien liberal.“ ULRIKE WINKELMANN