szene: Kein Müll, schöne Geschenke
Um die Ecke: eine große Brache, jede Menge Sportplätze, ein Friedhof und diverse Altglascontainer. Nachts kommt hier außer Fuchs und Wildschwein niemand vorbei. Oder doch: die Leute, die Geschenke für andere hinterlassen. Große Überraschung am nächsten Morgen: etwa ein Bürostuhl, Matratzen, Fernseher, Waschbecken, Kloschüsseln, Säcke mit Gartenabfall und Undefinierbarem. Früher habe ich mich über diese „Müllhaufen“ geärgert. Mein Mann arbeitet seit Jahren an der Entwicklung einer Arschtrittmaschine. Leider bisher erfolglos. Unlängst habe ich aber in der taz gelesen, dass es sich bei dem abgestellten Sperrgut eben nicht um Müll handle. Da würden immer Leute nach Brauchbarem und Nützlichem suchen. Und ehe der Staat die „Schenkenden“ verfolgt und bestraft, fände sich der Autor lieber mit dem Sperrmüll auf der Straße ab. Das fand ich plausibel. Also habe ich ein paar hässliche Vasen aus dem alten Hausstand meines Mannes aus dem Keller geholt und neben die Container gestellt. Die Vasen waren wirklich am nächsten Tag weg. Ein paar Wochen später fragt mein Mann: „Wo ist denn eigentlich der Wein-Dekantierer?“ Keine Ahnung, was das ist. Ich bin Biertrinkerin.
Vor ein paar Tagen fahre ich mit dem Rad an den Containern vorbei und bin ganz gerührt: Großzügige Spender haben eine wunderschöne Waschmaschine abgeladen! Das hat sicher einige Mühe und Kraft gekostet! Ein wirklich nettes Geschenk. Sicher ist die in wenigen Stunden weg.
Aber niemand im Viertel scheint derzeit eine Waschmaschine zu brauchen oder über einen Gabelstapler zu verfügen. Also steht die Waschmaschine noch immer an derselben Stelle und wartet auf Adoptiveltern. Um ihre Einsamkeit etwas zu lindern, hat heute Nacht jemand ein altes Sofa danebengestellt. Mal sehen, wann der Rest der Couchgarnitur folgt.
Gabriele Frydrych
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