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Archiv-Artikel

Vorerst Schluss mit Brechmitteln

Die Ärztliche Beweissicherung kündigt den Vertrag mit der Polizei. Die hatte zuvor jede Menge Klagen über den neuen Ärztedienst vorgebracht – der sich zuletzt bei der Vergabe von Brechmitteln quer stellte. Zum Juni sucht die Polizei Nachfolger

Von ede

bremen taz ■ Ein angenehmer Job war es für Ärzte nie, die Beweissicherung für die Polizei zu erledigen: Rund um die Uhr Betrunkenen Blut abnehmen, Leichen auf unnatürliche Todesursachen untersuchen, mutmaßlichen Drogendealern im Polizeigewahrsam Brechmittel einflößen. Doch war dafür ab 1. Januar ein neuer Beweisärztlicher Dienst angetreten – mit zehn ÄrztInnen in Rund-um-die Uhr-Bereitschaft. Zuvor hatte die Polizeiführung einen alten Vertrag mit dem umstrittenen Leiter des Gerichtsmedizinischen Instituts, Michael Birkholz, auslaufen lassen, weil dessen privat beschäftigte Mitarbeiter zunehmend in die Kritik geraten waren. Dennoch hat die Polizei schon wieder ein Problem: Die ärztliche Nachfolgeorganisation unter Leitung der ehemaligen Polizeiärztin und Allgemeinmedizinerin Monika Haenelt hat die Zusammenarbeit gekündigt. Zum 1. Juni suchen die Ermittler jetzt neue ärztliche Zuarbeiter, bestätigt die Polizeipressestelle.

Weitere Details werden diskret behandelt. Wer nach Brechmittelvergabe fragt, wird an die Staatsanwaltschaft verwiesen – die dazu gestern keine Auskünfte geben konnte. Doch heißt es polizeiintern, dass die so genannte freiwillige Brechmittelvergabe zurzeit nicht stattfindet. Als hartnäckiges Gerücht in Ärzte- und Polizeikreisen hält sich in diesem Zusammenhang, dass die Mediziner des neuen Beweisdienstes sich geweigert hätten, die vertraglich vorgesehene „freiwillige“ Vergabe durchzuführen. So sei in einem Fall schließlich Leiterin Haenelt selbst gerufen worden, den Auftrag auszuführen. Draußen vor der Tür habe derweil ein Notarzt gewartet, um eingreifen zu können. Die Medizinerin selbst ist nicht zu sprechen.

Bremens Notärzte rüsten unterdessen zum Protest: Sie sammeln Unterschriften gegen ihren Einsatz bei Brechmittelvergabe. Die Heiler wollen sich nicht für polizeiliche Beweissicherung hergeben. Die sei erstens keine Notfallmaßnahme – oder aber illegal, wenn die Beweismittelsicherung für Delinquenten gefährlich wäre. Mithin verbiete es sich, prophylaktisch einen Notarzt bei Brechmittelvergabe zu rufen – der im übrigen für Wichtigeres gebraucht werde. Schon sind die Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung davon in Kenntnis gesetzt. Als offen gilt zudem die Frage, wer solche Eingriffe bezahlt. Polizeiintern zeigt dabei manch einer sogar Verständnis für die Zurückhaltung des neuen Dienstes mit Brechmitteln – und erinnert daran, dass der Vertrag zwischen Polizei und Haenelt schon abgefasst war, als noch niemand in Bremen nach Brechmittelvergabe gestorben war.

Die Ermittler suchen jetzt eine Lösung, die die alten Strukturen mit Birkholz nicht wiederbelebt – zugleich aber ausreichend gerichtsmedizinische Kenntnis garantiert. Das setzt ärztliche Unerschrockenheit, aber auch Fachkenntnis voraus: Die Medizinier müssen auch einen bereits in Verwesung begriffenen Leichnam entkleiden und ärztlich begutachten – um etwa Mord als Todesursache auszuschließen.

Das schienen die zuletzt herbeigerufenen Ärzte neuen Dienstes nicht alle zu gewährleisten. Während Polizisten die Köpfe schütteln über einen Arzt, der sich dem Toten nur auf einen Meter nähern wollte, hat die Gerichtsmedizin angemahnt, dass auch Totenscheine teils falsch ausgefüllt wurden: Nicht erkannter Genickbruch oder übersehene Kohlenmonoxidvergiftung heißt es da. ede