Lust an der Spiegelung

ROMANTISCHE MASCHINEN Was sich bewegt, scheint uns verwandt. Kinetische Kunst der Gegenwart zeigt eine Ausstellung im Georg-Kolbe-Museum

„Das ist doch nur heiße Luft!“ Unwillen drückt dieser Ausruf aus und den Verdacht auf Scharlatanerie, besonders im Bereich der Kunst. Dabei ist es keine leichte Aufgabe, Luft, dieses flüchtige Element, zu gestalten. Wirbel aus Luft setzt Zilvinas Kempinas in seinen Skulpturen ein. Sie sind kleine Kunststücke der Äquilibristik: Der Luftstrom eines Ventilators hält Magnetbänder in der Luft als eine ständig bewegte Kontur – eine zarte Referenz an den Minimalismus der 60er-Jahre, in denen der Künstler in Litauen zur Welt kam.

Reiz des Unbeherrschbaren

Die Schultern, auf denen man steht, sind in der verspielten Ausstellung „Romantische Maschinen – Kinetische Kunst der Gegenwart“ im Georg-Kolbe-Museum oftmals sichtbar. Gleich im ersten Raum läuft das von Peter Fischli und David Weiss 1987 produzierte Video „Der Lauf der Dinge“. Die beiden Schweizer, älter als die anderen Künstler im Kolbe-Museum, zeigen einen abstrakten Slapstick, in dem Feuer, Wasser, Gase, Schaum, rollende, fallende, abstürzende und aufplatzende Gegenstände eine unaufhörliche Kettenreaktion hervorbringen. Das Vergnügen daran speist sich aus dem ständigen Erwarten des Misslingens ebenso wie aus einer Rumpelkammerästhetik, in der letzten Endes doch alles hervorragend klappt. Das Beherrschte kokettiert mit dem Reiz des Unbeherrschbaren.

Wie weit die Technik ihren Nutzer steuert und nicht umgekehrt, ist eine gern verhandelte Frage, nicht nur in der Kunst. Wenn Robert Barta in seiner „Timemachine“ eine DB-Modell-Lok nicht von der Stelle kommen lässt, weil sich der Schienenring unter ihr in gleicher Geschwindigkeit in die entgegengesetzte Richtung bewegt, dann ist der Zweifel am Fortschritt mit Händen zu greifen. Gewinnen wir Zeit mit der technischen Beschleunigung? Die Alltagserfahrung spricht dagegen, die Kunst auch.

Aber es ist nicht nur eine pessimistische Sicht auf die Technik, die von den „romantischen Maschinen“ im Kolbe-Museum transportiert wird. Julius Popp etwa gesteht ihr auch einen produktiven Eigensinn zu.

Der Weltgeist bei der Arbeit

Seine aufwändige Installation „bit.reflection“ arbeitet mit beweglichen Spiegeln, die Lichtpunkte an die Wand werfen, welche sich wiederum zu Mustern, ja, Schriftzügen ordnen. „Iran“, „ich“ glaubt man zu lesen, Wörter, die Popp nach ihrer Häufigkeit aus dem Internet fischt. Es ist aber weniger die konkrete Botschaft als ihre flirrende, ungewisse Erscheinung, die für sie einnimmt. Man glaubt, dem Weltgeist bei der Arbeit zuzuschauen.

Romantisch sind die Maschinen der elf beteiligten Künstler vor allem wegen ihres ironischen Verhältnisses zur Technik. Ironie meinte in der Epoche der literarischen Romantik eine große Lust an der Unabgeschlossenheit des Denkens und den Genuss am Zweifel. Romantisch sind sie aber auch in ihrem Spiel mit der mechanischen Bewegung, die den Dingen so etwas wie einen eigenen Geist verleiht. Selbst die beiden Blatt Papier, die Ariel Schlesinger mit Hilfe eines Motors sich aneinander reiben, aufrichten und miteinander tanzen lässt, genügen für diese Vermenschlichung der Dinge. Als ob wir süchtig danach wären, uns in anderen Wesen wiederzufinden.

KATRIN BETTINA MÜLLER

■ Romantische Maschinen, Georg-Kolbe-Museum, Sensburger Allee 25, Di–So 10–18 Uhr, bis 6. Sept.