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Archiv-Artikel

Klassenkampf

SPÄT RTL zeigt doch noch die vor Jahren produzierte Sitcom „Der Lehrer“ (montags, 21.15 Uhr)

Wenn das der Doktor Specht mit ansehen müsste: Rucksäcke fliegen durch die Gegend, Jugendliche hinterher, überall wird geschubst, gedrängelt, geschrien – ein bisschen wie die Massenkampfszene in „Braveheart“ sieht es aus, wenn Stefan Vollmer morgens zur Arbeit in die Schule kommt. Man kann das aber auch als Herausforderung sehen: sich der Anarchie im Klassenraum zu stellen, um sie dann sanft in den Würgegriff zu nehmen.

Schlicht und einfach „Der Lehrer“ heißt die neue RTL-Sitcom, obwohl „neu“ in diesem Zusammenhang irreführend ist, weil sie eigentlich schon vor zwei Jahren produziert wurde und sich der Sender bisher nur nicht getraut hat, sie auszustrahlen. Schließlich waren deutsche Sitcoms beim Publikum in letzter Zeit so beliebt wie Urlaub in Schweinegrippe-Regionen. Jetzt versucht es RTL im Schlepptau von „Doctor’s Diary“, um ein paar der Zuschauer rüberzuziehen. Verdient hätte es die von Peter Freihberg geschriebene Reihe allemal, immerhin ist „Der Lehrer“ der Versuch, das Genre der Situation Comedy wieder stärker an die Realität anzulehnen als Ex-Erfolge wie „Alles Atze“. Schade, dass dabei manchmal der Witz auf der Strecke bleibt, weil es eben nicht reicht, seine Charaktere bloß ein paar flotte Sprüche reißen zu lassen, um schon Comedy zu sein.

Hendrik Duryn, der bisher vor allem Krimi- und Actionserien gemacht hat, spielt den sympathischen, aber grenzwertig lässigen Kumpelpauker Stefan Vollmer, der sich mit einem toll besetzten Kollegium um die wichtigen Schulthemen kümmern muss: „Isch war beten gewesen, und das lass isch mir von Sie nicht verbieten“, raunzt der Ahmed seinen Lehrer an, wenn er keine Lust auf Schule hatte. Die Vertrauenslehrerin tröstet ein völlig aufgelöstes Mädchen: „Ist doch nicht so schlimm: Dann hat die Jenny eben dasselbe Top an wie du, bei dir sieht das viel besser aus.“ Und als einer der Kollegen lästert, dass „der Meier“ alles richtig gemacht habe, weil er gerade mit 52 in Pension gegangen sei, dreht sich eine Lehrerin entsetzt um und sagt: „Der macht ’ne Chemo!“ Mehr Platz für solche ironischen Überspitzungen – das wär’s gewesen!

Eine schöne Idee ist, die Folgen jeweils nach den Schülern zu benennen, die im Mittelpunkt stehen – und nicht nur flache Rollenabziehbilder sein müssen. Als eine Lehrerin den Schulschwänzer Picko nach Hause begleitet und dort auf den in Unterwäsche herumlaufenden besoffenen Vater trifft, mag man Picko danach zwar nicht lieber, versteht aber, warum er so ist. Mobbingopfer Kevin ist in einer unkommentierten Szene zu sehen, wie er Splattercomics liest, bei denen Außenseiter ihren Peinigern ins Gesicht schießen. Das ist nicht witzig. Aber für eine Sitcom eine ungewohnte zweite Ebene. Man müsste dem „Lehrer“ Zeit geben, um seine Form zu finden. Schade, dass RTL für sowas kaum Geduld hat. PEER SCHADER