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Archiv-Artikel

Außenseiter im Wahlkampf: Harald Jeschke

Über 1.300 Wahlkreiskandidaten treten zur NRW-Landtagswahl an. Nur 17 davon sind parteilose Einzelbewerber. Herr Jeschke aus Duisburg ist einer der Außenseiter. Reden kann er wie Berufspolitiker: „Man muss ein wenig verrückt sein“

Der Landtagswahlkampf von Harald Heinz Jeschke stößt an seine Grenzen. „Ich darf nur 300 Plakate aufhängen“, beschwert sich der 55-jährige mit der Nickelbrille. Die Behörden haben dem Duisburger eine Obergrenze für seine Wahlkampf-Schilder vorgeschrieben. Dabei würde er lieber noch mehr Reklametafeln für sich aufstellen. „Als wirklich unabhängiger Kandidat hat man es nicht leicht“, sagt Jeschke. Die Bürokraten in den Wahlämtern, die Konkurrenz von den etablierten Parteien – sie alle nehmen ihn nicht ernst, sie blicken auf ihn herab – auf ihn, den Außenseiter.

1.343 Wahlkreiskandidaten treten zur Landtagswahl am 22. Mai an. 1.343 Frauen und Männer in 128 Wahlkreisen von Aachen bis Olpe. Fast alle Bewerber gehören irgendeiner Partei oder Wählervereinigung an. Nur 17 parteilose Einzelbewerber machen mit bei der Demokratie im Lande NRW. Es sind Rentner und Geschäftsleute. Studierte, Arbeitslose und Buchhändler. Alte und Junge. Harald Jeschke ist einer von ihnen. Das Ex-SPD-Mitglied ist „von der Bürgerschaft in Duisburg-Neudorf aufgefordert worden“, zu kandidieren. Warum? „Ich bin einer, der schon immer sehr hartnäckig die Belange der Bürger vertreten hat.“ „Einer“, sagt Harald Jeschke. Mit „Einer“ meint er sich selbst. Er sei „einer, der manchmal unbequem sein kann“. Harald Jeschke ist ein Kümmerer. Harald Jeschke ist vernetzt. Er ist Vorsitzender eines Bürgervereins, war einmal Pressesprecher des Deutschen Eishockey-Bundes und mischt bei der Rheumaliga mit – „weltweit“, wie er hinzufügt. Der gelernte Journalist redet schnell und ausführlich über sich und seine politische Mission. „Der Bürger ist enttäuscht“, sagt Jeschke. „Von den Parteien.“

„Mister Smith goes to Washington“ heißt ein alter Hollywoodfilm. James Stewart spielt in dem 30er-Jahre-Streifen den politikverdrossenen Jedermann, der sich ins Parlament wählen lässt, weil er genug hat von der Arroganz der Mächtigen in der Hauptstadt. In Duisburg könnte man im Jahr 2005 einen ähnlichen Film drehen: „Herr Jeschke geht nach Düsseldorf.“ Harald Jeschke will ins NRW-Parlament. Er will sich dafür einsetzen, dass Bürger geschützt werden – vor Verkehrskrach, vor der Willkür geldgieriger Wohnungsgesellschaften, vor dem Desinteresse der großer Bürokratien.

In Duisburg-Neudorf hat sich Jeschke gemeinsam mit anderen Bürgerinnen und Bürgern sogar mit der mächtigen Deutschen Bahn und den Behörden angelegt, damit entlang einer Bahntrasse Lärmschutzmaßnahmen für die Anwohner durchgeführt werden. „Das war ein harter Kampf“, sagt Jeschke. Etablierte Parteipolitiker hätten ihm vorher gesagt, der Einsatz sei doch zwecklos. Doch Jeschke hat Briefe geschrieben, telefoniert, Unterschriften gesammelt – und irgendwann haben die Mächtigen reagiert.

Auch zur großen Politik bezieht Jeschke Stellung: „Ich habe zu allem eine Meinung.“ Er sei so ein „Zwischending“ aus „Traditionalist“, „Wirtschaftsmensch“ und ein „bisschen Grün“. Mit einem Wahlkampfetat von 5.000 Euro will Jeschke Enttäuschte und Verdrossene aus allen Parteilagern ansprechen. Im Wahlkampf hilft die Familie mit – von der Frau bis zum Patenkind. Auf seinen Wahlkampfplakaten posiert er mit seiner Enkelin. „Man muss ein wenig verrückt sein“, sagt Jeschke über seinen Wahlkampf. Und seine Chancen am 22. Mai? „Ich bin nicht größenwahnsinnig“, sagt er. Aber in Neudorf sei er „bekannt“. Und dann sagt er noch ein Wort, das ihm im Zusammenhang mit dem Wahlabend in zwei Wochen wohl gut gefallen würde: „Sensation.“ MARTIN TEIGELER