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Archiv-Artikel

Berger zaubert nicht

Hansa Rostock verliert 0:3 in Leverkusen und kann nun nur noch auf den direkten Wiederaufstieg hoffen

LEVERKUSEN taz ■ Irgendwann war er verschwunden. Leise, fast unbemerkt war Jari Litmanen vom Feld gehumpelt, es gab keinen Applaus, keinen Handschlag des Trainers, das halbe Jahr in Rostock war ein trauriges Kapitel im Leben des Weltstars. Nun ist es beendet. Litmanen hatte sich beim 0:3 in Leverkusen an der Leiste verletzt, der erneut beeindruckend agierende Finne versuchte trotzdem durchzuhalten, das Auswechselkontingent war schon erschöpft. Doch zehn Minuten vor Schluss schlich er unter Schmerzen davon, wahrscheinlich war das sein Abgang aus dem deutschen Fußball. Litmanen verpasste deshalb die nette Abschiedsgeste des Leverkusener Publikums, die auch ihm galt. Am Ende wedelten die Zuschauer mit weißen Taschentüchern, hübsch sah das aus, und ein bisschen traurig war es auch. Wie Litmanen hat sich wohl auch Hansa Rostock und damit der ostdeutsche Fußball aus der Bundesliga verabschiedet.

Zwar sagte Trainer Berger: „Ich wehre mich dagegen, schon Trauer zu tragen, denn wenn Gladbach in Hamburg verliert, sind wir noch dabei.“ Trotzig fügte er noch hinzu: „Ich habe alles schon erlebt!“ Doch die Partie hatte den Charakter einer letzten Chance – und die blieb ungenutzt.

Dabei war sie zweifelsohne da, diese Chance. Allein der Schwede Rade Prica hätte mit einem halben Dutzend viel versprechender Strafraumszenen zwei, drei Tore machen müssen, Leverkusens junge Viererkette war in der ersten Halbzeit alles andere als souverän. Aber so ist das eben mit den Absteigern, sie versagen vor dem Tor, sie lassen beste Möglichkeiten ungenutzt und schlafen dann in den entscheidenden Momenten. So war es bei Dimitar Berbatows 1:0 (27.), so war es bei Andrej Woronins 2:0 (58.), Leverkusen war einfach ein bisschen wacher. „Die Gegner nutzen unsere Schwächen eiskalt aus, wir nicht“, sagte Berger und fasste damit nicht nur dieses Spiel zusammen, sondern die gesamte Saison der Rostocker, die nach einem Konter auch noch das 3:0 kassierten (Berbatow, 88.).

„Entscheidend war nicht das heutige Spiel, und auch nicht die Rückrunde“, sagte Berger, „das Jahr 2005 war ordentlich, wir hätten aber eine überragende Rückrunde gebraucht.“ Der Trainer ist so zufrieden mit seiner Arbeit, dass er Hansa entgegen verschiedenen Meldungen der vergangenen Woche offenbar auch in der Zweiten Liga betreuen möchte. „Ich habe einen Vertrag, der gilt für die Zweite Liga, und es hat nie eine Andeutung meinerseits oder von Vereinsseite gegeben, dass dieser Vertrag nicht gelten soll“, sagte er. Ein Trost ist das wohl kaum, Berger hat von seinem Zauber verloren. Und Mannschaften neu aufzubauen galt noch nie als große Stärke des 60-Jährigen.

Auch Klaus Augenthaler war bislang nicht dafür bekannt, aus unbekanntem Spielermaterial starke Mannschaften zu formen, aber vielleicht entpuppt sich exakt diese Fähigkeit als neue Stärke des knorrigen Trainers. Bayer Leverkusen ist seit Wochen von allerlei Verletzungspech geplagt, diesmal spielte die Bayer-Defensive mit Gonzalo Castro (17), Sascha Dum (18), Jan-Ingwer Callsen-Bracker (20) sowie dem einzig verbliebenen Stammspieler Juan (26) und war im Schnitt kaum älter als 20 Jahre alt. Die Startelf brachte es auf einen Altersschnitt von knapp 25 Jahren, es war die jüngste Bayer-Mannschaft der letzten zehn Jahre.

Diese Frische tut dem sozialen Klima im Team offenbar gut, und einer blüht ganz besonders auf in diesem Umfeld: Carsten Ramelow dirigierte, lobte, lief Löcher zu, bereitete das 1:0 vor und wurde von Klaus Augenthaler nachher zum Mann des Tages erklärt. „So stelle ich mir einen Kapitän vor“, sagte der Trainer, „er hat die jungen Spieler geführt, das war absolut überragend.“ Der Hochgelobte selber beobachtet im – finanziellen Zwängen geschuldeten – Wandel der Struktur des Teams gar den schon lange ersehnten Mentalitätswechsel dieser Mannschaft. „Unser Auftreten ist ein anderes, es ist ein anderer Wille da, hier hat sich in den letzten Wochen etwas entwickelt“, meinte Ramelow. Seine Folgerung hieraus: „Wir spielen noch in Wolfsburg und gegen Mönchengladbach. Zwei Siege sind da absolut machbar.“ DANIEL THEWELEIT