Linkspartei mit bescheidenem Ziel

Der erste Parteitag der WASG-Linkspartei bleibt brav: Routiniert fordern die Delegierten die Vermögenssteuer und die 35-Stunden-Woche. Mehr Pepp erhofft man sich von Gysi oder Lafontaine. Nahziel sind mindestens 2 Prozent in NRW

AUS DORTMUND ULRIKE WINKELMANN

Sollte jemand denken, dass ein erster Parteitag grundsätzlich „turbulent“, „leidenschaftlich“ oder gar „chaotisch“ ausfallen muss, so hat die „WASG“-Linkspartei am Wochenende das Gegenteil bewiesen. Diszipliniert saßen 350 Delegierte in fast stillen Reihen von Freitag bis Sonntag in einer der kleineren Dortmunder Westfalenhallen.

Unter mildem Licht und vor den orangen, quadratischen WASG-Leuchttransparenten stimmten sie einen Antrag zur Geschäftsordnung nach dem anderen durch. Ab und zu bat die vollkommen gelassene Moderatorin, die Stimmkarten so lange in die Höhe zu halten, bis die Zählkommission fertig sei.

In den Pausen spielte Fleetwood Macs „Don’t Stop (Thinking About Tomorrow)“. Mit diesem Lied bestritt Bill Clinton seinen US-Präsidentschaftswahlkampf 1992. Doch die meisten WASGler in der Halle waren schon erwachsene Gewerkschafts- oder SPD-Mitglieder, als die Platte 1977 herauskam.

Seit wenig mehr als hundert Tagen ist die Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit, gegründet aus Protest gegen die Arbeitsmarktreform Hartz IV, nicht mehr Verein, sondern Partei. Am 22. Mai tritt sie bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen an. Wenn sie die Zweiprozentmarke schafft, sagt WASG-Sprecher Murat Cakir, so werde die SPD-Linken-Prominenz ihre „Übertrittssignale“ vermutlich in die Tat umsetzen. Der Hamburger Bundesvorständler Joachim Bischoff vermutet diese Schwelle eher bei drei Prozent.

Viele WASGler denken, dass sie bei der Bundestagswahl 2006 nur eine Chance haben, wenn der Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine und Bundestagslinke wie Ottmar Schreiner mitmachen. Noch besser: Es gelänge eine Kooperation mit der PDS und deren Star Gregor Gysi, ohne die Westwähler abzuschrecken. Schwierig, meint Bischoff allerdings dazu: Die WASG lebe vom Engagement einer bislang parteiverdrossenen Basis – „die PDS aber ist nicht mehr glaubwürdig.“

Der Dortmunder Parteitag bestätigte den bayerischen IG-Metaller Klaus Ernst, den Bremer Wirtschaftswissenschaftler Axel Troost und die Göttinger Sozialarbeiterin Sabine Lösing im Vorstandsamt. Eine Frauenquote blieb supersoft: Bis 2007 müssen nur so viele Frauen Ämter haben, wie es ihrem Prozentsatz an Mitgliedern entspricht. Bis Ende des Jahres sollen Doppelmitgliedschaften beendet werden.

Im Klartext: Bis zum 31. Dezember sollen sich die Trotzkisten von der Sozialistischen Alternative (SAV) bitte entscheiden, ob sie lieber auf Revolution oder lieber auf Bundestagswahlkampf machen wollen. Troost erklärte, er habe 1981 schon über Vergesellschaftungskonzepten gebrütet, als „viele SAVler noch nicht geboren“ waren. Derzeit aber seien SAV-Forderungen „für mich nicht diskussionswürdig“.

Stattdessen plädierte der Parteitag für die 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich, für die Vermögenssteuer und gegen die „Ethnisierung der Sozialfrage“. Die kapitalismuskritische SPD darf sich gemeint fühlen.