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Archiv-Artikel

Gelber Sack in die Tonne

Niedersachsens Umweltminister will mit einem Modellversuch dem lästigen Mülltrennen ein Ende bereiten. Verpackungs- und Restmüll sollen zusammengeschmissen werden. Ziel: die Zebra-Tonne

Aus Hannover Kai Schöneberg

Sicher geglaubte Gewissheiten haben heutzutage eine immer geringere Halbwertszeit. So wurde uns bei der Einführung des Grünen Punkts Anfang der 90er-Jahre weiß gemacht, dass das Trennen des Plastik- vom Hausmüll unglaublich ökologisch sei. Stattdessen wurde alles teurer, weil das damals neu gegründete „Duale System“ für die Entsorgung der Verpackungen Gebühren von den Herstellern kassiert. Und dennoch wurden die Deutschen zu Mülltrenn-Weltmeistern. Auch als sich herausstellte, dass vielerorts der mühsam getrennte Abfall wieder zusammengeschmissen wird.

Geradezu revolutionär – und nicht nur für Trennmuffel – mutet da der Vorschlag von Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander an. Statt fünf Müllsorten will der FDP-Mann nämlich künftig nur noch vier haben. Das Ziel ist die „Zebra-Tonne“ – die Zusammenführung von „gelbem“ Verpackungs- und „grauem“ Restmüll. „Weil die Bürger ihren Müll – größtenteils unbeabsichtigt – falsch sortiert haben“, müssten die Gelben Säcke vielerorts teuer nachkontrolliert werden. Deshalb will Sander zusammen mit Entsorgern in den Landkreisen Wesermarsch und Osterholz-Scharmbeck möglichst schon Anfang kommenden Jahres einen Modellversuch ohne Trennung starten. Möglichst eine Stadt soll außerdem bei dem Test dabei sein. Hintergrund: Auf dem Land ist die Trennungsquote deutlich höher als in den Städten.

Ein Jahr lang sollen die Bürger dann alles außer Glas, Papier und Biomüll in der Restmülltonne beerdigen. Da der Restmüll im Durchschnitt etwa zu zehn Prozent mit Wertstoffen versetzt ist, der Gelbe Sack wiederum etwa zu 30 Prozent mit Abfällen bestückt wird, die nicht hineingehörten, werde ein gelb-grauer Müll-Mix die Wiederverwertungsquote erhöhen, glaubt Sander. Moderne Sortieranlagen würden‘s möglich machen. Und das Beste: „Sollte der Versuch Erfolg haben, werden die Müllgebühren drastisch sinken“, verspricht der Minister.

Langfristig sei er sowieso dafür, das Monopol des Grünen Punktes zu brechen. Darin ist sich Sander sogar mit den Grünen einig. Ansonsten verweist deren umweltpolitische Sprecherin Dorothea Steiner auf ein ähnliches Projekt in Nordrhein-Westfalen, wo der Zebra-Müll schon in fünf Regionen getestet wurde: „Da hat sich herausgestellt: Es bringt keine Vorteile“, sagt Steiner. „Die Gebühren sinken nicht – es wird ja nicht weniger Müll entsorgt“, betont die Grüne. Die Rest-Müllabfuhr müsse die Zebra-Tonnen häufiger leeren, andererseits müssten die Verbraucher ja weiter Gebühren für die Verpackungen zahlen. Letztlich sei Sanders „populistischer Vorschlag“ also sogar teurer. An der Gebührenschraube drehen ließe sich nur über bundes- oder europaweite Regelungen, erklärt Steiner.

Das sieht der Bremer CDU-Umweltsenator Jens Eckhoff ähnlich: Vor der Einführung der Zebra-Tonne müsse die bundesweit geltende Verpackungsverordnung geändert werden, die momentan noch eine getrennte Erfassung aller Müllsorten vorschreibt, betont Eckhoff. Der Zeitpunkt für die grau-gelben Tonnen sei „noch nicht reif“. Es sei keineswegs erwiesen, ob Bremen mit „dem System Zebratonne“ mehr Wertstoffe zurückgewinnen könne als heute. Die SPD-Fraktion hatte hingegen behauptet, dass die Recycling-Quoten bei den Verpackungsabfällen mit neuer Technik von derzeit 9 auf fast 15 Prozent erhöht werden könnten. Der CDUler Eckhoff widersprach dem mit einer Müll-Analyse der Bremer Entsorgungsbetriebe. Fraglich sei zudem, ob die Müllgebühren durch eine Umstellung nicht sogar letztlich ansteigen würden.