: „Auf Wowereits Danke kann ich verzichten“
Die entscheidende Mobilisierung kam von uns, sagt Sebastian Lorenz von der Antifaschistischen Linken Berlin
taz: Herr Lorenz, haben sich Polizeipräsident Glietsch und Innensenator Körting am 8. Mai als Antifas geoutet?
Sebastian Lorenz: Als konsequente Antifas würde ich beide auch weiterhin nicht bezeichnen. Denn die entscheidende Mobilisierung gegen die Nazis kam von unserer Demo und nicht vom Festakt am Brandenburger Tor. Dass einige vom Fest zu uns gekommen sind, hat uns natürlich gefreut. Man darf aber nicht Ursache und Wirkung verwechseln. Wir waren es, die dazu aufriefen, den Nazi-Aufmarsch mit allen Mitteln zu verhindern. Der Senat wollte in Abgrenzung zur NPD ein Gedenkritual feiern, das den Anforderungen neudeutscher Politik gerecht wird.
Aber am Sonntag gab es doch ein perfektes Zusammenspiel zwischen Ihnen und der Polizei.
Wir wussten, dass es eine allgemeine Ablehnung gegen den NPD-Aufmarsch gibt und der Senat einen solchen Marsch am 8. Mai nicht einfach durchknüppeln würde. Der politische Preis wäre zu hoch gewesen. Daraus zu schlussfolgern, der Senat habe sich wie die Antifa verhalten, ist jedoch zu hoch gegriffen. Im Abschiebeknast Grünau befinden sich Flüchtlinge im Hungerstreik, weil Körting sie abschieben möchte. Allein deshalb stellt sich nicht die Frage, ob wir einen antifaschistischen Senat haben.
Fühlen Sie sich geehrt, dass der Regierende Bürgermeister sich bei allen Gegendemonstranten bedankt hat?
Vorher wurde unsere Strategie kritisiert. Jetzt, nachdem die Blockaden so gut geklappt haben, versucht der Senat unseren Protest zu vereinnahmen. Auf Wowereits Danke kann ich verzichten.
Könnte das Zusammenspiel zwischen Ihnen und Polizei Modellcharakter haben?
Natürlich wäre es ideal, wenn alle Anti-Nazi-Proteste so verlaufen wie am Sonntag. Daran glaube ich aber nicht. Der 8. Mai bleibt ein inszenierter Sonderfall, weil sich Senat und Bundesregierung als die geläuterten Demokraten darstellen wollten, um dem Ausland zu zeigen: Deutschland hat aus der Geschichte gelernt, ist fit für weitere weltpolitische Aufgaben und Nazis sind von gestern. Die Antifa kam da gerade recht.
Die Nazis wurden am Sonntag wie in einem Schweinegatter zusammengepfercht. Empfinden Sie da Mitleid? Immerhin könnte die Polizei bald auch mit Ihnen so umspringen.
Ich habe kein Mitleid mit Menschen, vor denen Migranten oder andere Minderheiten Angst haben müssen. Aber es stimmt, die Gefahr ist da. Deswegen sind wir auch gegen eine Verschärfung des Demonstrationsrecht. Wir wollen, dass die Leute auf die Straße gehen und jegliche polizeiliche Durchsetzung von Nazi-Aufmärschen verhindern. Dass die Polizei dieses Mal nicht ganz so hart vorgegangen ist wie sonst, verdanken wir dem öffentlichen Interesse und nicht einem Sinneswandel bei der Berliner Polizei. Die alten Zeiten werden wieder kommen. Da bin ich mir sicher. INTERVIEW: FELIX LEE