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Archiv-Artikel

SS-Männer und Arbeitskämpfe

MUSEUMSSOMMER (II) Im Vorgängermuseum wurde der Mythos von der Überlegenheit der germanischen Rasse gepflegt. Das heutige Museum „Tuch und Technik“ in Neumünster dagegen zeigt weniger Webstühle als Sozialgeschichte

Das Museum

Im Oktober 2007 bezog des Textilmuseum Neumünster seinen neuen Standort im Stadtzentrum.

■ Auf 2.000 Quadratmetern wird eine Geschichte der Weberei präsentiert. Einige Exponate können von den Besuchern selbst bedient werden, für andere gibt es Maschinenmeister.

■ An den Medienstationen werden historische Lehrfilme gezeigt sowie Interviews mit Neumünsteraner Textilarbeitern und -fabrikanten.

■ Hauptziel des Museums ist es, „Geschichten von Menschen“ zu erzählen, „die in Neumünster gelebt und gearbeitet haben“.

VON FRANK KEIL

Sabine Vogel, Leiterin des Museums „Tuch und Technik“ in Neumünster, zieht sie ihre Schultern bis fast zu den Ohren hoch und steht in leicht gekrümmter Haltung da. „Die Neumünster Bürger laufen meist mit hochgezogenen Schultern durch ihre Stadt, als sei sie ihnen irgendwie peinlich“, sagt sie. Ob sie damit recht hat oder nicht, lässt sich von außen schwer beurteilen. Sicher ist aber, dass die Bürger von Neumünster auf ihr Museum mehr als stolz sein können.

Das Museum für „Tuch und Technik“ versteht es, auf eine so kluge wie wie pfiffige Weise die Geschichte der Tuchmacherei mit die Stadtgeschichte Neumünsters zu verweben, mit ihren wirtschaftlichen und politischen Kontinuitäten und Brüchen. Das Haus hat so gar nichts von dem oft rätselhaften Sammelsurium (hier ein Webstuhl, dort ein Zinnkrug) und der vordergründigen Gemütlichkeit von Stadtmusseen kleinerer Städte gemein.

Untergebracht in einem lichten Bau aus Beton und Stahl mit einer breiten Fensterfront zum Marktplatz hin demonstriert man schon architektonisch, dass das Erkenntnisinteresse in einem möglichst breiten Blick liegt. Im Inneren tritt man dann eine Zeitreise durch die Entwicklung des Textilwesens in und um Neumünster an, die von der Frühzeit über das Mittelalter und die industrielle Revolution bis in die Gegenwart reicht. Begleitet wird diese Geschichte durch Ausflüge in die Lebenswelten der Einwohner Neumünsters, ihre Vereine, ihre religiösen Orientierungen, ihre politischen Haltungen. Ab und zu füllen dabei die mächtigen Textilmaschinen mit ihrem Lärm die Halle.

Immer wieder zieht die Ausstellung im Museum Verbindungslinien zwischen politischen Erschütterungen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Dabei beschränkt sie sich nicht auf die unmittelbare Textilindustrie, findet aber immer wieder elegant zu ihr zurück. So werden etwa die Geschehnisse um die Landvolkbewegung um 1929 referiert, als sich ein tiefer Graben zwischen den Fabrikarbeitern Neumünsters und den umliegenden Bauern als den damaligen Modernisierungsverlierern auftat. Ereignisse, die Hans Fallada, damals tätig beim „Generalanzeiger für Neumünster“, zu seinem Roman „Bauern, Bonzen, Bomben“ inspirierten.

Die ehemalige Zwangsarbeiterin Olga Alexandrowna K., die im Dezember 1942 aus einem ukrainischen Dorf verschleppt in der Tuchweberei Julius Bartram zur Arbeit gezwungen wurde, berichtet ebenso von ihrer Zeit in Neumünster wie der ehemalige Beschäftigte des Webers Werner Sachse, der mit noch immer verblüffter Stimme davon erzählt, wie gut die Männer und wie schlecht die Frauen entlohnt wurden, obwohl die Frauen die härtere Arbeit hatten. Das habe, sagt er, auch damit zu tun gehabt, dass in der Tarifkommission der zuständigen Textilgewerkschaft fast ausschließlich Männer saßen, denen das Lohnniveau ihrer Kolleginnen herzlich egal war.

Das endgültige Aus für Neumünsters Textilfabriken kam 1991. „Die beiden letzten Unternehmen wurden ein Opfer des Mauerfalls“, sagt Museumsleiterin Vogel. Mit der Wiedervereinigung seien die Mittel der Zonenrandförderung weggefallen, die das stützten, was man einst „strukturschwache Gebiete“ nannte, auch wenn die Grenze weit, weit weg war. Neumünster fiel in einen Dornröschenschlaf.

Reflektiert wird diese Entwicklung auch in der Geschichte des Museums selbst. Der Vorläufer des heutigen Hauses hieß noch ,Museum germanischer Trachtenkunde‘ und war 1938 von dem Kunstmaler Karl Schlabow gegründet worden, der als einer der Schöpfer der Textilarchäologie gilt, auch wenn in den letzten Jahren manche seiner Forschungsergebnisse in Frage gestellt worden sind.

Schlabow, der auch Mitglied der SS war, folgte dem Bestreben der Nationalsozialisten, ihre angebliche Überlegenheit bis zurück in die Bronze- und Steinzeit gewissermaßen stofflich zu untermauern. Nach dem Krieg blieb Schlabow weiterhin im Amt und seine Ausstellungspraxis noch lange prägend, bis sich erst ab den 70ern langsam ein auch sozialgeschichtlicher und zunehmend kritischer Blick durchsetzte.

Das heutige Museum „Tuch und Technik“ wurde 2007 neu errichtet. Es liegt nur wenige Minuten vom Bahnhof entfernt, ist also leicht zu finden.

Kleinflecken 1, Neumünster. Derzeit zu sehen : „Welt-Gewänder – Mode mit Stoffen von drei Kontinenten“