JENNI ZYLKA über PEST & CHOLERA
: Sekretärin in Singapur

Von Klempnern, Flöhen und der Geschäftsidee eines Freundes

Der geschäftstüchtigste meiner Freunde expandiert. Er hat eine neue Büronummer und eine neue Sekretärin. Wählt man die Nummer, meldet sich die Sekretärin, behauptet, mein Freund sei in einer Besprechung, und fragt, ob sie etwas ausrichten könne. „Nein“, antworte ich, „ich bin eine Bekannte und wollte Hallo sagen …“ Bei den nächsten vier Anrufen ist wieder nur die Sekretärin mit ihrem Sprüchlein dran. „Hören Sie mal“, sage ich beim fünften Mal spitz, „lassen Sie doch den Kram, ich weiß, dass mein Freund gerade nichts bespricht – geben Sie ihn mir einfach!“ Die Frau beharrt aufs Ausrichten.

Ich rufe meinen geschäftstüchtigen Freund auf seinem Handy an. „Wo bist du“, frage ich. „Im Büro, wo sonst?“, sagt er. „Wieso lässt deine blöde Sekretärin mich nicht mit dir sprechen?“, frage ich. „Weil sie auf der anderen Seite der Welt hockt“, sagt er: „Ich habe einen virtuellen Büroservice. Die Frau sitzt in Singapur an einem Schaltpult und betätigt sich als Vorzimmerdame für 25 verschiedene kleine Ein-Mann-Firmen. Sie meldet sich, je nach Nummer, immer mit dem Firmennamen und nimmt Nachrichten entgegen. So denken Großkunden, man habe ein anständiges Büro.“

Ich bin schwer beeindruckt. Wahrscheinlich haben sich das die gleichen Leute ausgedacht, die gegen Geld während Geschäftsgesprächen bei einem anrufen, damit man wichtig wirkt. „Und wenn jetzt“, frage ich meinen Freund, „die Frau mal zwei Firmen verwechselt und sich statt mit ‚Internet World‘ mit ‚Rohrreinigungsservice Meier‘ meldet? Bei den vielen Namen?“ „Dann wird sie gefeuert“, sagt er, „aber das ist nicht so schlimm, sie hat ja noch 24 weitere Chefs.“

„Und was wird aus den ganzen Chef-Sekretärinnen-Liebschaften“, frage ich, was aus „Frl. Müller zum Diktat, bitte“, was aus „Überstunden, Schatz!“? „Denk doch mal an die Ehefrauen“, sagt mein Freund, „die freuen sich.“ „Von wegen“, überlege ich, „die müssen dann ja den Klempner früher nach Hause schicken.“ Wenn das mit den Klempnern nicht nur wieder so ein moderner Mythos ist. Ich persönlich kenne niemanden, der mal was mit dem Klempner hatte, während der brackiges Wasser und schleimige Haare aus dem Badezimmerabfluss zu entfernen versuchte.

Womit ich selbstredend das Klempnerhandwerk nicht lächerlich machen möchte. Im Gegenteil, ich wünsche jedem Klempner Tausende williger Hausfrauen und Erfolg beim Rohrreinigen dazu. Genauso viel Respekt habe ich übrigens auch vor Automechanikern oder Kammerjägern. Ich habe sogar kurz darüber nachgedacht, einen Kammerjäger zu bestellen, denn ich leide höchstwahrscheinlich unter einem Floh.

Seit zwei Tagen habe ich beim Aufwachen kleine rote juckende Stippen am Körper, zu viele für eine Mücke und zu wenige für eine Gürtelrose. Aber wegen eines einzigen Flohs kommt kein Kammerjäger, da muss man wohl schon eine Rattensippe oder eine Wildschweinpopulation in der Küche bieten.

Außerdem tendiere ich dazu, mit dem Leben eines Flohs umzugehen wie diese buddhistischen Supermönche, die den Weg, auf dem sie schreiten, mit weichen Palmwedeln sauber feudeln, damit sie nicht Einzeller, Zweizeller und andere wertvolle Lebewesen platt treten.

„Eine Zelle – guuuuuuut! Mehrere Zellen – auch guuuuut“, meckere ich da gerne in Abwandlung der berühmten Szene aus „Animal Farm“, in der die Schweine den anderen Tieren die Demokratie der Lebewesen erklären, kurz bevor sie sich völlig undemokratisch zu Tyrannen entwickeln. Wobei mir wieder mein geschäftstüchtiger Freund mit seiner abwesenden Sekretärin einfällt. „Mobbing fällt dann doch auch flach“, sage ich, das wäre ja viel zu teuer, allein wegen der Telefonkosten. „Ja“, sagt er, „ich denke aber drüber nach, mir einen kleinen Hund zuzulegen, damit ich beizeiten jemanden anschreien kann.“

„Despot“, murmele ich. „Wenn du das machst, besorge ich mir einen größeren. Und den lasse ich zwei Wochen fasten, und dann gebe ich ihm eines von deinen Hemden. Pass bloß auf.“

Fotohinweis: JENNI ZYLKA PEST & CHOLERA Fragen zum Büro? kolumne@taz.de Morgen: Barbara Bollwahn ROTKÄPPCHEN