: Togos Diktator stabilisiert sein Regime
Nach 100 Toten in Togo sitzt der umstrittene neue Präsident Faure Gnassingbé fest im Sattel. Den Ausschlag gab französischer Druck auf Westafrika, nicht einzugreifen, sagt die Opposition: „Die internationale Gemeinschaft hat uns im Stich gelassen“
AUS LOMÉ HAKEEM JIMO
In Togo herrscht Friedhofsruhe. Die Proteste gegen die Präsidentschaftswahl vom 24. April sind abgeflaut, Polizei und Militär beherrschen die Hauptstadt Lomé. „Die internationale Gemeinschaft hat uns im Stich gelassen“, sagt Daniel Agano, Anführer des Jugendverbandes der größten Oppositionspartei. „Aber wir werden nicht aufgeben. Wir werden niemals eine solche Machtübergabe vom Vater zum Sohn und ein erneutes derartiges Regime akzeptieren. Doch im Moment können wir nichts anderes tun.“ Die Aufstände der Jugend in Lomé waren zu spontan und konnten den brutalen Aktionen der Sicherheitskräfte nicht lange standhalten. Über 100 Menschen sollen seit dem Wahltag gewaltsam umgekommen sein, bis zu 20.000 flohen in Nachbarländer.
Für Agano kommen die am vergangenen Wochenende bekannt gewordenen vertraulichen Berichte der Europäischen Union zu spät. Darin gehen westliche Diplomaten von massivem Wahlbetrug aus. Fast eine Million fiktive Wähler seien in die Wahlregister eingeschrieben worden – so stieg die Zahl der Wahlberechtigten um ein Drittel. Die togoischen Behörden hätten geplant, sich gewaltsam Zugang zur deutschen Botschaft zu verschaffen, um des dorthin geflohenen Innenministers habhaft zu werden. Der ist mittlerweile nach Frankreich ausgereist.
Doch Konsequenzen hat das nicht. Faure Gnassingbé, Sohn des verstorbenen togoischen Diktators Gnassingbé Eyadema und inzwischen „gewählter“ Präsident, hat sich durchgesetzt – unter anderem dank des Verhaltens der internationalen Gemeinschaft. Noch bevor die Wahlzettel ausgezählt waren, rief Westafrikas regionale Supermacht Nigeria bereits zu Vermittlungsgesprächen zwischen Gnassingbé-Regierung und Opposition in Togo. Seither drängt die Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) auf eine Regierung der nationalen Einheit und Machtteilung in Togo. „Schon damals hätte uns ein Licht aufgehen müssen, dass die Entscheidungen bereits gefallen waren“, sagt Agano im Rückblick.
Als Gnassingbé Eyadema Anfang Februar nach 38 Jahren an der Macht starb, hatte die Ecowas-Führung die Machtübertragung an dessen Sohn noch als Putsch abgelehnt. Dann aber schienen die Ecowas-Chefs von den Wahlvorbereitungen der togoischen Regierung überzeugt zu sein und erkannten das Wahlergebnis sofort an, ebenso wie die Regierung Frankreichs.
Ausschlaggebend nach Meinung des Jugendchefs der togoischen Opposition waren die sieben Telefonate in jener Woche, mit der der französische Präsident Jacques Chirac bei seinem nigerianischen Amtskollegen Olusegun Obasanjo auf Nichteinmischung pochte. Nigeria sei mit Einsätzen bei Friedensmissionen in Sierra Leone, Liberia und Darfur schon gut ausgelastet und müsse sich das Leben nicht noch schwerer machen, sei der Rat der Franzosen gewesen. Außerdem brauche Nigeria bei seiner Bewerbung um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat keinen Gegenwind, das soll ein weiteres Druckmittel der Franzosen gewesen sein.
Letzte Woche wurde Diktatorensohn Faure Gnassingbé als neuer Präsident Togos vereidigt. Allerdings konnte sich der vermeintliche Wahlsieger nicht über viele Staatsbesucher zur Feier seiner Amtseinführung freuen – als hänge über ihm der Geruch der Fäulnis, mit dem das demokratische Afrika nicht zusammengebracht werden will. Und nach wie vor bietet der neue Präsident der Opposition Zusammenarbeit an.
Doch von gegenseitigem Vertrauen kann keine Rede sein. Togos Oppositionschefs halten sich im Untergrund versteckt, weil Sicherheitskräfte nachts nach ihnen suchen. Im Nachbarstaat Benin kursieren Berichte über festgenommene Mitglieder von Killerkommandos aus Togo, die nach geflohenen Regimefeinden suchen. Das galt schon als Spezialität des verstorbenen Diktators. Flüchtlinge berichten von eingeschleusten Spitzeln in ihren Reihen und systematischer Überwachung.
Trotzdem scheint der Wille zum Widerstand einer Zusammenarbeit bei einem Teil der Opposition zu schwinden. „Die Alten sehen keine andere Möglichkeit mehr“, sagt Jugendverbandschef Daniel Agano. Er will einen militanten Widerstand organisieren. Und er bringt seine Familie außer Landes.