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Mittelstand kommt ohne Banken aus

Die restriktiven Richtlinien für die Kreditvergabe zeitigen unerwartete Folgen: Kleine und mittlere Unternehmen schlagen zurück und suchen sich alternative Finanzierungsformen. Laut einer Studie der KfW bleiben den Banken nun die Kunden weg

VON KATHARINA KOUFEN

Die deutschen Banken verleihen immer weniger Geld an Unternehmen. Das geht aus einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hervor. Seit 2001 seien die Kreditbestände der Banken bei deutschen Firmen um 6,5 Prozent gesunken.

Betroffen davon sind hauptsächlich die Mittelständler. Zu ihnen zählen in Deutschland 99 Prozent aller Unternehmen, sie stellen mehr als zwei Drittel aller Arbeitsplätze. Während die großen Konzerne sich oft direkt am Kapitalmarkt mit neuem Geld versorgen, finanzieren sich die mittelständischen Betriebe bislang vor allem über Kredite bei Kreditbanken, Sparkassen und Genossenschaften.

Dass Mittelständler über die strengen Regeln bei der Vergabe von Krediten klagen, ist bekannt. Das Neue an der KfW-Studie: Die Banken klagen auch. Sie schieben den Rückgang der Kreditvergabe der sinkenden Nachfrage der Unternehmen in die Schuhe. Eine Umfrage unter kleinen und mittleren Betrieben gibt den Banken Recht: 2003 etwa habe sich nur jedes dritte Unternehmen überhaupt um einen Kredit bemüht. Dagegen seien nur 12 Prozent aller Anfragen an den Auflagen der Bank gescheitert.

Zwei Gründe nennen die Experten für den Rückgang der Kreditnachfrage: erstens die allgemein schwache inländische Nachfrage, zweitens die Tatsache, dass in den Boomjahren Ende der 90er-Jahre viele Firmen gewaltig investiert haben. Von 1999 bis 2001 stiegen die gesamten Kreditbestände um 12 Prozent. Nach dem Börsencrash vor fünf Jahren musste die Produktion mit den neu angeschafften Maschinen oftmals gedrosselt werden, weil Überkapazitäten bestanden. Erst ganz allmählich werden wieder Investitionen fällig. So sorgte der Exportboom im vergangenen Jahr dafür, dass inzwischen wieder etwas mehr Geld für Produktionsanlagen ausgegeben wird.

Bislang wurden vor allem die strengeren Regeln zur Kreditvergabe, Basel II genannt, für den Rückgang der Verschuldung verantwortlich gemacht. Basel II sieht vor, dass die Kreditkonditionen stärker an die Bonität der Kunden gekoppelt werden.

Hinzu kommt, dass für die Banken das Geschäft mit den Mittelständlern immer weniger interessant ist: Firmenpleiten haben die Zahl fauler Kredite in den letzten Jahren in die Höhe schnellen lassen. Und bei dem historisch niedrigen Zinsniveau – derzeit etwa 4 Prozent, wenn die Inflation unberücksichtigt bleibt – lässt sich damit auch nicht mehr so richtig Geld verdienen. Vor allem die Privatbanken konzentrieren sich daher oftmals lieber auf lukrativere Geschäfte an den Finanzmärkten.

Für den Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) ist die gesunkene Nachfrage nach Krediten daher auch „Folge, nicht Ursache“ des Verhaltens der Banken. „Der anhaltende Rückgang des Kreditgeschäfts ist die Antwort des Mittelstands auf die restriktive Kreditpolitik der Banken“, so BVMW-Präsident Mario Ohoven zur taz. Die Banken nämlich wenden die Basel-II-Regeln schon seit mehreren Jahren an, kleinere Betriebe haben es also immer schwerer, an günstige Kredite zu kommen. „Immer mehr Mittelständler sehen sich daher nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten um“, so Ohoven. Dazu gehören Lieferantenkredite, das Leasing – also Mieten – von Fuhrpark oder Maschinen oder das Factoring, also der Verkauf von Forderungen an Schuldeneintreiber. Auch tun sich kleine Betriebe immer öfter zu Kreditpoolen zusammen, um bessere Konditionen zu erhalten.

Bleibt also die Frage, ob die Banken ihr Kreditgeschäft tatsächlich nicht ausweiten können, wie in der KfW-Studie behauptet, oder ob sie es gar nicht wollen.

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