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Archiv-Artikel

UNTERM STRICH

In Peking sahen, so berichtete die FAZ, gut 150 Studenten und Intellektuelle einen neunstündigen Montagefilm von Alexander Kluge, „Nachrichten aus der ideologischen Antike“ nach dem „Kapital“ von Karl Marx und einer Idee von Eisenstein, und sie sahen den Filmautor selbst auf einer Videowand. Nicht sehen werden sie ein Theaterstück, das sich ebenfalls mit Marx beschäftigt, „Karl Marx: Das Kapital, Erster Band“ von der Gruppe Rimini-Protokoll. Zumindest vorläufig nicht. Die Produktion vom Schauspielhaus Düsseldorf und dem HAU in Berlin koproduziert war eigentlich für den 10. und 11. März am „9 Theatre/Chaoyang District Culture Center eingeladen. Das Gastspiel, initiiert vom Goethe-Institut, wurde kurzfristig abgesagt mit der Begründung, dass eine Genehmigung nicht erteilt worden sei. Dabei lag der zuständigen Behörde der Stücktext schon länger vor.

Ein Container mit dem Bühnenbild, der hohen Regalwand, vor der die Marx-Experten ihr Gespräch über das Buch und seine Folgen entfalten, wartet in einem Hafen nahe Peking. Die Beteiligten hoffen nun, so sagt Jana Bäskau vom Schauspielhaus Düsseldorf, dass die Aufführung zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden könne. Aber die Befürchtung steht jetzt im Raum, dass der diskursive Bauplan des Stücks, in dem Sprecher mit sehr unterschiedlichen Bildungen und Biografien aufeinandertreffen, der chinesischen Behörde irgendwie zu suspekt erscheint.

Der Schweizer Schriftsteller Christian Kracht ist in Zürich bei der ersten öffentlichen Lesung aus seinem Roman „Imperium“ mit starkem Beifall bedacht worden. Der 45-Jährige las am Mittwochabend vor mehr als 300 Zuhörern im Kulturzentrum „Kaufleuten“ mehrere Kapitel, ohne allerdings Fragen zuzulassen. Anschließend signierte er das Buch, dessen Verriss im Spiegel eine Debatte über Grenzen der Literaturkritik ausgelöst hatte. Dort hatte ihn der Autor Georg Diez als „Türsteher der rechten Gedanken“ bezeichnet und ihm vorgeworfen, in seinem Südsee-Roman eine rassistische Weltsicht zu vertreten. Auf diese Debatte wollten die Veranstalter in Zürich explizit nicht eingehen. Schweizer Medien hatten über die Vorwürfe im Spiegel berichtet, sie wurden jedoch nirgendwo geteilt.