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Archiv-Artikel

Verinnerlichte Blockade

Hausfriedens- oder Verfassungsbruch: Heftiger juristischer Schlagabtausch zu Beginn des „Pilotverfahrens“ um Hafenstraßen-Bauwagendemo

„Es war eine klassische und schützenswerte Versammlung“

VON KAI VON APPEN

Der „Führungsgehilfe“ des Chefs der Bereitschaftspolizei Thomas Mülder, Olaf Sabbota, schildert es vor Gericht ganz plastisch, wie Hamburgs Polizei Demonstrationen den Schutz des Versammlungsrechts entzieht: Sie stellt indiskutable Auflagen an den Demoleiter, „geht dann den Schritt zurück und verkündet drei Auflösungsverfügungen, um rechtlich auf den Weg des Gefahrenrechts zu kommen und gegen die Ansammlung vorzugehen“.

So geschehen auch bei der Auflösung der bundesweiten Bauwagendemo „Einmal im Leben pünktlich sein“ am 24. April 2004 in der Hamburger Hafenstraße. „Ob die Auflösung dann rechtswidrig war“, so Sabbota, „müssen Gerichte entscheiden.“ Und das dauert im Verwaltungsrecht Jahre.

Trotzdem stehen seit gestern drei Bauwagenbewohner wegen Nötigung vor dem Amtsgericht. Sie haben laut Anklage durch ihre Demo mit 99 Wohn-LKW die Hafenstraße „blockiert“, Autofahrer zu Umwegen „genötigt“ und den Bewohnern der Häuserzeile den Zugang verwehrt. „Worin lag denn der auflösende Grund?“, fragt zaghaft Richter Lutz Nothmann nach, zumal Ausweichplätze im Gespräch gewesen seien. „Dann hätten wir das Problem woanders gehabt“, antwortet Sabbota. „Herr Lehmann als Gesamteinsatzleiter hat die juristische Entscheidung gefällt, dass es keine Versammlung ist.“

Doch gerade darüber streiten die Prozessbeteiligten in diesem „Pilotverfahren“ – 45 weitere Fälle sind daher auf Eis gelegt – auf der juristischen Ebene. So stehen die Anträge der Verteidiger Andreas Beuth, Marc Meyer und Carsten Gericke noch im Raum, das Verfahren „auszusetzen“, bis das Verwaltungsgericht über die Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes entschieden hat, da in diesem Komplex „verwaltungsrechtliche Fragen mit verfassungsrechtlichem Einschlag im Vordergrund“ stünden. Zudem sei das Verfahren „ohnehin einzustellen“, da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bis zur Auflösung einer Demo diese „besonderen Schutz“ genieße, so dass gar keine Nötigung vorgelegen haben kann. „Es war eine klassische und schützenswerte Versammlung.“ Dass dabei der Verkehr behindert wird, ist laut BVerfG „eine sozialadäquate Folge“.

„Oder wird Hamburg wegen der viertägigen Blockade der Hafenstraße anlässlich des Hafengeburtstags angeklagt?“, fragt Gericke rhetorisch. Überdies stellten die Anwälte gegen Nothmann einen Befangenheitsantrag, da er die Ermittlungsakten mit kleinen gelben Klebezetteln bespickt hat. Und so wird dann aus dem offiziellen „Bericht über den Versammlungsbeginn“ in richterlicher Gedankenstütze ein „Blockadebeginn“.

Der Musterprozess, der von Protesten auf der Straße begleitet wird, ist bis Juli terminiert.

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