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Archiv-Artikel

Konstruieren und glauben

Der Künstler ist eine Marke und der Bildraum ist eine Setzung: Die Berlinische Galerie feiert das Werk von Susanne Paesler – mit mehr als einem Dutzend intellektuell durchdachter Bilder, die gleichzeitig emotional, glamourös und verführerisch sind

VON BRIGITTE WERNEBURG

Der Pinselstrich ist groß und energisch ins Bild gesetzt: Ein V, das in einer lang auslaufenden Linie endet; eine Bewegung, die, wenn man sie nachvollzieht, an das Schlagen mit dem Dirigentenstab erinnert. Der Pinselstrich ist eine Aufforderung. Lieber Maler, male endlich los. Doch das tut der Maler nicht. Er ist ja auch eine Künstlerin.

Susanne Paesler belässt es bei dieser einen expressiven Geste. Sie beherrscht das untere Drittel eines hell in hell gehaltenen Bildraums, der ansonsten merkwürdig organische, blasenartige Formen von makelloser Gestalt zeigt. Gegen diese geradezu gestanzte Perfektion steht der expressive Pinselstrich. Bei näherer Betrachtung allerdings entpuppt auch er sich als offensichtlich technisch generiertes Konstrukt. Statt der weichen Kurve, die die Haare eines Pinsels erwarten lassen, steht man einem in scharfkantige Pixel-Blöcke zerhackten Umriss gegenüber. Dieser Pinselstrich ist kein Pinselstrich. Er ist sein Bild. Ein Bild, das sich deutlich dem Computer verdankt.

Das Bild des Pinselstrichs darf man analog sehen zum dreidimensional schattierten Computerschriftzug „susannepaesler“, der ein quadratisches Bild signiert, in dem die Künstlerin auf weißem Grund weiße Kreisformen malt. Reliefartig vertieft oder erhaben liegen sie in mattem Lack auf der Trägerfläche aus Aluminium; freilich trügt auch hier der Schein, den eine subtile Farbabstufung hervorruft.

Das Bild ist so flach, dass Clement Greenberg seine Freude daran hätte. Wie „susannepaesler“ steht das Bild des Pinselstrichs in der Funktion eines Logos oder Labels. Der Künstler ist eine Marke. Was keineswegs sofort Böses bedeuten muss. Und bemerkt und ausgestellt werden darf. Denn am Ende steht ein Label oder eine Marke nicht nur für Marketing, Mode und Zeitgeist, sie steht für ein Produkt, ein Werk.

Das Werk von Susanne Paesler, das anlässlich des Ilse-Augustin-Stipendiums in der Berlinischen Galerie mit etwas mehr als einem Dutzend ihrer Gemälde aus den letzten fünf Jahren gefeiert wird, steht für eine konzeptuelle, intellektuelle Malerei. Eine Malerei, die weiß, dass der Bildraum eine Setzung ist, die behauptet werden muss. Auffälligerweise gelingt es Paesler, und das ist von der Kritik schon frühzeitig bemerkt worden, ihre Setzung auf zwei Ebenen zu behaupten, die sich gegenseitig auszuschließen scheinen.

Susanne Paeslers Bildräume sind zunächst voller Zitate, die Distanz schaffen und die Geschichte der Kunst als ein unhintergehbares Vermächtnis lesen, das die Gültigkeit jedes Bildentwurfs relativiert: Stoffmuster, berühmte, lang traditierte Karomuster wurden von den Zeichen des Abstrakten Expressionismus, des Informel und der Op art abgelöst, ostasiatisch anmutende Kalligrafie und Blumenentwürfe zeigten freie Bewegungen, bevor sich Paesler zuletzt – wie bei „dark flowers“ (2005) – wieder der modularen, geometrischen Konstruktion annäherte.

Doch gleichzeitig trübt diese Distanz, das Wissen um die Kodes, die ganze Archäologie des Tafelbilds, nicht die verführerische Kraft ihrer Bilder. Susanne Paesler hat gewiss nie an eine malerische Unmittelbarkeit geglaubt, wie dies die neofigurative und neoromantische Malerei auszeichnet, die momentan so en vogue ist. Doch über so viel malerische Unmittelbarkeit verfügt sie jederzeit, dass ihre Bilder nie der Sprödigkeit eines Diskurses über Malerei anheim fallen. Sie sind intellektuell durchdacht, dabei emotional aufgeladen, denn in ihren pastellenen Farben und dem matten Glanz des Lacks ihrer Oberfläche sind sie ganz einfach glamourös.

Paesler gelingt das Kunststück, wie der Kunsthistoriker Knut Ebeling im Katalog schreibt, das Bild als Produkt einer Konstruktion zu entlarven und zugleich an das Produkt zu glauben. Und wir teilen diesen Glauben.

Bis 5. Juni, Berlinische Galerie, Alte Jakob Str. 124–128, Mo.–Sa. 12–20, So. 10–18 Uhr