Kalender ist Chefsache

Jeder Bürger darf Verwaltungsakten einsehen. Doch der Terminkalender von Klaus Wowereit bleibt Privatsache, entscheidet das Verwaltungsgericht

VON ULRICH SCHULTE

Schade, so was in der Art hätte man ja doch gerne gelesen: 10–11.30 Uhr „Mist, Aktenwälzen in Senatskanzlei“, 12 Uhr „Irgendein Fototermin“, 13 Uhr „Spargelessen mit Böger und Donnermeyer. Lecker.“ Doch was wirklich im Terminkalender des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) steht, bleibt seine Privatsache. Vorerst.

Genau diese Frage hat gestern das Verwaltungsgericht verhandelt – und für Wowereit entschieden. Der Rechercheur und Journalist Frank Brendel hatte Einblick in den Terminkalender des Regierenden verlangt, genauer: Die Senatskanzlei sollte sämtliche Privatangelegenheiten schwärzen und nur Amtsgeschäfte vom 1. März bis zum 1. Juni 2004 in Kopie abliefern. Bei seiner Begehr beruft sich Brendel auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das allen BürgerInnen umfassende Informationsrechte gegenüber Behörden und öffentlichen Stellen einräumt (siehe Kasten).

Damit jeder, der will, staatliches Handeln kontrollieren kann, garantiert das IFG in Paragraf 3 die „Einsicht in (…) von der öffentlichen Stelle geführte Akten“. Jeder Vorgesetzte wisse über Termine seiner Untergebenen bescheid, argumentiert Brendel. „Der Regierende hat aber nur einen Souverän, nämlich den Bürger. Dieser hat nach dem Gesetz das Recht zu kontrollieren, wie Wowereit seiner Arbeit nachkommt.“ Wenn der Regierungschef am Tag zehn Stunden Verwaltungsarbeiten nachgehe, werfe das ein anderes Licht auf ihn, als wenn er dies nur zwei Stunden tue.

Die Senatskanzlei lehnt die Herausgabe seit dem vergangenen Sommer ab und legt das IFG anders aus. Ein Terminkalender sei mit dem Gesetz nicht gemeint, so Justiziar Claus-Dieter Pöhler. „Darin steht Organisatorisches, mancher Termin verschiebt sich, mancher platzt. Mit klassischem Verwaltungshandeln hat er nichts zu tun.“

Dieser Argumentation folgte das Gericht. Seit gestern ist also amtlich: Wowereits Filofax ist keine Akte im Sinne des IFG. Er könne zwar das private und berufliche Interesse Brendels sehr gut nachvollziehen, so der Vorsitzende Richter Alexander Wichmann. „Ein Terminkalender bezieht sich aber nicht auf amtliche Aufgaben einer Verwaltung, sondern regelt die Arbeitsorganisation eines Mitarbeiters.“ Insofern könne das IFG nicht auf einen solchen angewendet werden. Brendel will Berufung einlegen, die endgültige Entscheidung trifft das Oberverwaltungsgericht.

Das Abgeordnetenhaus hat das IFG am 15. Oktober 1999 verabschiedet, es trat zum 1. Januar 2000 in Kraft. Neben Berlin haben die Länder Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Schleswig-Holstein ähnliche Gesetze verabschiedet. Allerdings hat man dort andere Ansätze gewählt: In Kiel ist zum Beispiel in Gesetzeszweck und den Begriffsbestimmungen nur von „Informationen“, nicht von „Akten“ die Rede. Das aber nur am Rande, falls sich jemand für den Terminkalender von Peter Harry Carstensen (CDU) interessiert.