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Schuhe, die im Regen stehen

Die Premier League beendet ihr berühmtes Regenbogenschnürsenkel-Programm

Ob wenigstens die Binde bleibt? Crystal-Palace-Kapitän Marc Guehi Foto: imago

Aus London Daniel Zylbersztajn-Lewandowski

„Wir wissen, dass wir mehr tun können, um den Geist und die Energie des Fußballs auf dem Spielfeld als Kraft zum Guten einzusetzen.“ Mit diesen Worten startete im Jahr 2016 der damalige Vorsitzende der englischen Fußball-Premier-League Richard Scudamore das „Stonewall Rainbow Lace Program“, eine Initiative, wo mithilfe von Schuhbändern in Regenbogenfarben Solidarität mit Spieler:innen, Fans und Angestellten der LGBTQIA+ demonstriert werden sollte. Seit letzter Woche ist das seit acht Jahren laufende Programm nun offiziell beendet.

Nur warum? Eine Presseerklärung gab es nicht. Durchgesteckt wurde die Nachricht ausgerechnet über die rechte Tageszeitung Daily Telegraph, die sich auf ein Treffen der 20 Premier-League-Klubkapitäne berief.

Auf Nachfrage der taz unterstrich die britische Football Association (FA), dass dieser Schritt nicht bedeute, dass man „Inklusion den Rücken kehre“, sondern lediglich, dass man ein eigenständiges Programm aufstellen wolle. Auch die Premier League gab an, dass die Absage des Programms keinen grundsätzlichen Kurswechsel darstelle.

Die Regenbogenbänder gibt es seit 2013. Sie wurden 2016 offiziell, geschaffen von einem „Team Pride“ in Partnerschaft mit anderen Organisationen der britischen LGBTQIA+-Organisation „Stonewall“. Stonewall war lange die britische Hauptorganisation, was LGBTQIA+-Inklusionsprogramme betraf, sozusagen ein Leuchtturm der Community.

In den letzten Jahren war Stonewall in Misskredit geraten, besonders aufseiten der konservativen Vorgängerregierung. Auch weil die Organisation auf das Recht der geschlechtlichen Selbstbestimmung beharrte. Und das auch, nachdem ein Urteil des britischen Supreme Court im April dieses Jahres besagte, dass in Sachen rechtlich geschützter Räume („safe spaces“) das bei der Geburt festgelegte Geschlecht entscheidend sei.

Jan Holmes, einer der wichtigsten Journalisten und Berater in Sachen LGBTQ+ und Sport, insbesondere im Fußball, gab der taz gegenüber allerdings beruhigend an, dass nichts darauf hindeutete, dass die Entscheidung, die Regenbogensenkel abzuwickeln, mit diesen und anderen identitätspolitischen Kontroversen zu tun hat. Sondern mehr mit dem Versuch des Fußballs, die Dinge selber in die Hand zu nehmen. Mit anderen Worten: Auch die Premier League beruft sich also auf Selbst­identität und Unabhängigkeit. Allerdings habe die englische Frauen-Superleague die Initiative noch nicht aufgegeben.

Das derzeitige Hauptproblem bestehe für Initiativen eher in der Ungewissheit, welche Maßstäbe und Zeichen nun zu setzen seien. Das gelte besonders für solche, die schon durch den verbalisierten Widerstand der beiden religiösen Spieler gegen die Rainbow Laces im letztes Jahr verunsichert wurden. „Die Schuhbänder sollten ja unter anderem die Botschaft verkünden, dass LGBTQ-Fußballfans überall willkommen sind. Das alle mitgemeint waren. Das war eine zentrale Friedensbotschaft“, so Holmes.

Die Premier League wolle nun ihre LGBTQ-Botschaft im Pride-Monat Februar verkünden, so wie das viele britische Organisationen und Unternehmen tun. Wie diese Botschaft genau aussehen soll, weiß im Augenblick aber niemand. Dass so eine Botschaft zwingend notwendig ist, zeigt der beunruhigende Anstieg an homophoben Vorfällen auch im englischen Fußball (zum deutschen Fußball siehe auch Spalte rechts).

Beunruhigend sei der Jubel in den sozialen Medien gewesen, nachdem das Ende der Regenbogen-Schuhbänder durchgesickert war. Besonders groß war der Jubel bei christlich-konservativen Gruppierungen. Der Daily Telegraph feierte es als „das Ende des Regenbogen-Unsinns“.

„Wir haben genug Selbstvertrauen, selbst zu entscheiden und unsere eigenen Programme zu leiten“

Richard Masters, Geschäftsführer Premier League

Anders als im Frauenfußball gibt es im britischen Männerfußball nur einen einzigen, der sich als schwul outete. Jake Daniels der Name. Auch ein Schiedsrichter, Ryan Atkin, outete sich. Gleichwohl dürfe der Erfolg der Inklusionsprogramme nicht an der Anzahl der Personen bemessen werden, die sich outen, so Holmes. Außerhalb der Profiszene gäbe es viele schwule und bisexuelle Fußballer, die viel positive Arbeit leisten. Holmes bürgt dafür, dass die „Rainbow Laces“ betroffenen Menschen und Spielern, die er kenne und die nicht unbedingt geoutet seien, Zuversicht schenkten.

Am Donnerstag äußerte sich schließlich auch Richard Masters, Geschäftsführer der Premier League, auf eine direkte Frage bei einer Pressekonferenz: „Wir haben genug Selbstvertrauen, selbst zu entscheiden und unsere eigenen Programme zu leiten und mit Vereinen und allen Interessenverbänden darüber zu sprechen“, sagte er. Masters verneinte, dass die Änderung wegen der Vorfälle mit den Kapitänsbinden und der religiös motivierten Reaktio­nen darauf gekommen sei.

Auf dem X-Profil von Stonewall steht an oberster Stelle immer noch ein Post vom letzten Jahr zur Rainbow-Laces-Initiative. In einem dem Daily Telegraph gegebenen Statement betonte Stonewall, dass die Schuhbänder dazu beitragen sollen, LGBTQ+-Inklusion, Akzeptanz und Mitbeteiligung in allen Bereichen des Fußballs zu ermöglichen und dass unter den jüngeren Generationen eine Person unter zehn sich als LGBTQ+ identifizieren würde.

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