: Zwei Schutthaufen
ERINNERUNGSKULTUR Hellmut G. Haasis stellt seine Elser-Biografie „Den Hitler jag ich in die Luft. Der Attentäter Georg Elser“ vor
„Ich bin zu dem Ergebnis gekommen“, gab Georg Elser im Verhör der Staatspolizei zu Protokoll, „dass man nur dadurch etwas verändern kann, dass man die augenblickliche Führung beseitigt.“ Beinahe hätte es geklappt. Die im Bürgerbräukeller deponierte Bombe – Elser hatte sich über einen Monat Nacht für Nacht dort eingeschlossen und unbemerkt den Sprengstoff präpariert, während er tagsüber an der Konstruktion des Zünders arbeitete – explodierte wie geplant, nur der, dem sie vorrangig galt, verließ die jährliche Feierlichkeit zu Ehren der so genannten „alten Kämpfer“ an jenem Abend des 8. November 1939 früher als sonst: Der akribisch vorbereitete Anschlag verfehlte Adolf Hitler um knapp 13 Minuten. Und der Attentäter wurde beim Versuch, in die Schweiz zu flüchten, festgenommen, vernommen und gefoltert, zunächst in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, dann ins KZ Dachau, wo Elser am 9. April 1945 ermordet wurde.
Gewürdigt wurde die einmalige wie einzigartige Tat des Schreiners aus Königsbronn erst spät. Lange hielten sich mythologische Erzählungen, sei’s die der faschistischen Propaganda entsprungene, Elser sei bloß eine Marionette des britischen Geheimdiensts, sei’s die aus antifaschistischen Kreisen, das Attentat sei eine nationalsozialistische Inszenierung. Und auch die Aufnahme in das offizielle Gedenken zwischen Denkmal, filmischer Nacherzählung und Sonntagsrede trägt ein Stück Dialektik der Aufklärung in sich. So konstatierte etwa der Politikwissenschaftler Lothar Fritzsche „der Ehre zu viel“ und attestierte Elser, er habe „mitleid- und gedankenlos gehandelt“. Offenbar kehrte mit der Erinnerung auch das Verdrängte wieder und rief heftige Abwehr hervor. Die naheliegende Frage jedenfalls, was wäre, wäre das Attentat erfolgreich verlaufen und warum gab es bloß diesen einen Widerstand: dazu kaum ein Wort mehr.
Nur schwerlich und nicht ohne Widerspruch gelingt die Integration in den Kanon staatstragender Erinnerungskultur: Die Tat Elsers sperrt sich der Instrumentalisierung. Von einer Form der „Selbstentlastung“ spricht in diesem Kontext der Georg-Elser-Biograf Hellmut G. Haasis. Und macht auch deutlich, an was die Erinnerung von Person und Tat Georg Elsers zu rühren vermag. „Zwei Schutthaufen“ habe Elser hinterlassen, schreibt Haasis: „den ersten im Bürgerbräukeller, den zweiten in den Köpfen der Deutschen“. Zeigt die Tat Elsers doch, dass Widerstand gegen die nationalsozialistische Barbarei möglich war und zugleich, dass es keinen gab; dort, wo Elser als Individuum handelte, hatte sich die Mehrheit seiner Landsleute längst zum Kollektiv der Volksgemeinschaft zusammengeschlossen. BASTIAN BREDTMANN
■ So, 11. 3., 20 Uhr, Golem, Große Elbstraße 14