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Archiv-Artikel

Tempelhof Open Air Vorm Rosinenbomber

Die Meute wirkt frisch. Keiner musste ins Zelt

„Einmal Brüssel erster Klasse bitte“, sagt ein Witzbold zur Berlin-Festival-Mitarbeiterin, die am niedlichen alten Check-in-Schalter im Flughafen Tempelhof die Eintrittskarten für’s Festival verteilt. Aber der ist nicht nach Albernsein zumute, und so knipst sie weiter stoisch Pressebändchen um tätowierte Arme, während die Eingangshalle des Flughafens am Freitagabend von der wartenden Popcrowd zugeraucht wird, als hätten wir 1955, und das Rauchen sei beim Warten noch Pflicht.

Im Hangar stehen derweil St. Etienne auf der Bühne, drum herum kaufen Konzertgäste überteuertes Warsteiner aus Plastikbechern, und irgendwie hat so ein Festival im betonierten Flughafen zwar den Vorteil, dass niemand mit seinen Kitten Heels knietief im Bodenmatsch stehen muss, andererseits fällt durch die professionell-gesponserte Durchorganisiertheit aber auch der gemütliche Billigweinkater weg, den man sich normalerweise vom Tütentrinken holt – hier wird man natürlich auf selbst mitgebrachte Getränke durchsucht, bevor man das Flughafengelände betritt. Auf dem hinter der Bühne abgesperrten Rollfeld steht der Rosinenbomber, und das macht sich schon alles recht hübsch als Kulisse für zum Beispiel Pete Doherty, der trotz Flugverspätung ganz den pünktlichen und rockaffinen Hauptact gibt. Auf das große Rollfeld selber darf man leider nur seine Zigarettenkippen schnippen – Flughafen samt offenem Hangar mieten war im Veranstaltungsbudget drin, dahinter wäre es zu teuer geworden.

Am nächsten Tag wirkt die Meute frisch und unzerknautscht, weil niemand sich ins Zweimannzelt ringeln musste, sondern alle sich brav in Hotelzimmer einmieten konnten. Alles in allem macht so ein Fluhafenkonzert doch Spaß – man muss nur einen Weg finden, Alkohol reinzuschmuggeln. Ein Strumpfband-Flachmann wäre eine Lösung. JENNI ZYLKA